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Geht da was? Linken-Chefin Katja Kippling und Piraten-Chef Bernd Schlömer.

© dpa

Kipping und Schlömer: Flirtversuch zwischen Piraten und Linkspartei

Orange-Rot, geht da was? Die Parteichefs von Linken und Piraten nähern sich bei einer Veranstaltung an, Beobachter sehen eine "spannende Koalition". Doch es gibt auch Differenzen - und Pirat Schlömer will auch gar nicht links sein.

Von Matthias Meisner

Eine Liebesbeziehung wird das nicht, jedenfalls nicht auf die Schnelle. Dabei baggert der neue Piraten-Vorsitzende Bernd Schlömer seine Diskussionspartnerin Katja Kipping, Chefin der Linkspartei, ganz schön an. Donnerstagabend im Pfefferwerk in Prenzlauer Berg: Unter dem Titel "Update oder neues Betriebssystem" diskutieren zwei Parteichefs, beide erst seit ein paar Monaten im Amt. Er in orangefarbener Hose, sie in schicken hochhackigen roten Schuhen. Orange-Rot, geht da was zusammen, wo es doch schon mit Rot-Rot-Grün nicht klappt?

Kipping hat das Treffen gleich nach ihrer Wahl auf dem Göttinger Parteitag Anfang Juni vorgeschlagen. Moderator ist Jakob Augstein, Verleger des Wochenblatts Freitag. Eine "spannende Konstellation" sieht er, und fragt sich, wie links die Piraten und wie aufrührerisch die Linken sind. Seine Auffassung: "Ihr sollt doch zusammenarbeiten, nicht gegeneinander."

Schlömer indes ist zunächst angetan von Kipping persönlich. Beim Fototermin vor der Diskussion hätten sie sich auf das "Du" verständigt und in die Augen gesehen. Und, so bekennt der Vater mehrerer Kinder aus mehreren Beziehungen freimütig: "Frauen, denen ich so nahe gekommen bin, habe ich meistens auch geküsst." Kipping verschlägt es, was selten vorkommt, für einen Moment die Sprache, Gelächter im mit gut 100 Leuten proppenvollen Saal. Dann entgegnet sie: "Bevor ich jemand küsse, habe ich meistens noch ein paar kritische Fragen."

Dann sagt Kipping, 34, langjährige Sozialpolitikerin im Bundestag, was sie politisch will von Schlömer, 41, Sozialwissenschaftler und Kriminologe. "Ich hoffe, dass die Piraten sich entscheiden fürs linke Spektrum." Bis es soweit ist, sieht sie noch viel Nachholbedarf. Hätten noch die Piraten historischer Zeit "von reichen Seeleuten genommen", so würden sich die Schlömers Namensvetter nicht herantrauen an Konzerne oder Superreiche. "Heute fehlt Euch der Biss." Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen - in der Piratenpartei Beschlusslage, bei den Linken von Kipping verfochten, aber innerparteilich hoch umstritten - sei ja schön und gut. Doch ohne Umverteilung von oben nach unten wäre sie nicht realisierbar. Und wenn er, Schlömer, mit einem vereinfachten Steuermodell nach Vorschlag von Paul Kirchhoff sympathisiere, würde er ganz schnell die Reichen bevorteilen.

Kipping hat Vorstellungen von einer linken Internetpartei. Die Kritik an mangelnder Transparenz im Zusammenhang mit dem Fiskalpakt sei richtig. Das Problem, dass die Politik am Gängelband der Finanzmärkte hängt, sei eben nicht zu lösen mit dem Smartphone. Zu den richtigen Kämpfen will sie den Piraten-Vorsitzenden ermuntern. "Marx wäre heute begeistert von den Möglichkeiten der Computerisierung", sagt sie. Und kritisiert, dass die Piratenpartei viel zu wenig tue gegen die Dominanz des Internets durch große Konzerne wie Facebook oder Google. Das erinnere sie an die "Extra-Spur für Bonzen", die es immer noch auf Moskaus Straßen gebe.

Bei Schlömer kommt das alles kaum an - weil er gar nicht links sein will. Tapfer verteidigt er die Piratenpartei als "Netzwerkorganisation" und "liberale Partei". Er finde es "sinnlos", sich auf einem "zweidimensionalen Spektrum links-rechts zu verorten". Die Wähler seien auch keine Protestwähler, dieses "negative Image" mag er nicht, sondern viel eher Wechselwähler. Immer wieder werde die Idelogie der Piratenpartei gesucht, doch da müsse man "lange suchen". Empört gibt Kipping zurück, die schlimmste Ideologie sei die Ideologiefreiheit. Die nämlich stabilisiere die herrschenden Verhältnisse.

Immer wieder versuchen Moderator Augstein und später auch Leute aus dem Publikum, Bündnisfähigkeit auszuloten. Kipping macht es sachte, außer der Sache mit dem Grundeinkommen kann sie sich eine Kampagne für ein kostenfreies Wlan vorstellen. "Könnt Ihr nicht ein bisschen höher zielen?", fragt Augstein, "Urheberrecht, Europa, Energiewende". Aber Schlömer zeigt keine Lust auf diese politische Liaison. Womöglich noch will er mit Kipping am 13. Februar in Dresden gegen Nazis demonstrieren, müsse dann aber doch im Grundsatz Rücksicht nehmen auf seine Kollegen in der Partei, ausstehende Beschlüsse von Bundesparteitagen. "Ich werde mich hier nicht verleiten lassen und nach Gemeinsamkeiten suchen."

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