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Politik: Kirche von unten

Mitarbeiter von evangelischen Sozialunternehmen fordern Streikrecht und normale Tarifverträge

Mit Trommeln und Trillerpfeifen zogen sie vor den Magdeburger Dom. „Ich bin eine Sklavin der Diakonie“ stand auf ihren Transparenten oder: „Gott kann man nicht bestreiken, aber ausgliedern“. Rund 1500 Mitarbeiter von Einrichtungen des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche demonstrierten am Freitag gegen das kirchliche Arbeitsrecht, das die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kommende Woche in Magdeburg beschließen will. Die EKD-Synode ist das oberste Parlament der evangelischen Kirche in Deutschland.

Das Grundgesetz ermöglicht den Kirchen beim Arbeitsrecht einen Sonderweg, den sogenannten Dritten Weg. Er sieht vor, dass Mitarbeiter kirchlicher Sozialunternehmen nicht streiken dürfen. Löhne und Gehälter werden nicht zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgehandelt, sondern kirchenintern in paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzten Kommissionen festgelegt. Die EKD will diesen Dritten Weg flächendeckend für alle diakonischen Einrichtungen festschreiben. Die Teilnehmer der von der Gewerkschaft Verdi organisierten Demonstration forderten dagegen ein Streikrecht und die Einführung klassischer Tarifverträge. Gerichte in Hamm und Hamburg haben in diesem Jahr Streikverbote in kirchlichen Einrichtungen gekippt. Die Kirchen sind mit 1,3 Millionen Beschäftigten nach dem Staat der größte Arbeitgeber in Deutschland.

„Das Streikrecht ist ein Menschenrecht, und Menschenrechte lassen sich nicht teilen“, sagte der Verdi-Bundesvorsitzende Frank Bsirske während der Kundgebung. Mit dem „theologisch-fundamentalistischen Begriff der Dienstgemeinschaft“ würden sich Diakonie-Einrichtungen auf dem Rücken der Arbeitnehmer Wettbewerbsvorteile sichern. In vielen Diakonie-Einrichtungen gebe es Leiharbeit zu Dumpinglöhnen, was die „Glaubwürdigkeit der Diakonie zutiefst enttäuscht“. Die Präses der EKD-Synode, Katrin Göring-Eckardt, verteidigte das kirchliche Arbeitsrecht. Allerdings gab sie zu, dass im Diakonischen Werk derzeit „verdammt viel“ schieflaufe. Das gelte etwa für die Leiharbeit in Diakonie-Einrichtungen, die die evangelische Kirche „strikt ablehnt“. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates des Diakonischen Werks, Württembergs Landesbischof Frank Ottfried July, kündigte weitere Gespräche mit den Mitarbeitern an. Missstände müssten bekämpft werden, aber „die Idee des Dritten Wegs ist und bleibt gut“, sagte er.

Auf ihrer diesjährigen Tagung vom 6. bis 9. November in Magdeburg wollen die 126 Synodalen auch über das Thema „Mission“ sprechen. Dabei sollen evangelische Antworten gefunden werden für den zunehmend überforderten modernen Menschen, der mit Beschleunigung und Flexibilisierung des Lebens und steigendem Leistungsdruck zu kämpfen hat. Außerdem wird sich die EKD-Synode mit dem Papstbesuch beschäftigen.

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