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Kirchentag: Des Menschen Geld und Gott

Evangelische Christen diskutieren beim Kirchentag in Bremen vor allem über die Wirtschaftskrise. Die Besucher suchen nicht nach Ideologie sondern Tipps für ethisch korrekte Geldanlagen.

Eigentlich müsste man Veranstaltungen wie diese unter Denkmalschutz stellen: Tausende Menschen sitzen am Freitag drei Stunden lang in einer neonbeleuchteten Messehalle auf Papphockern und verfolgen ein Expertengespräch über Derivate und Rating-Agenturen, über „Nachhaltigkeitsfonds“ und „aktives Aktionärstum“. Der evangelische Kirchentag fällt in die Zeit der großen Wirtschaftskrise. Auch in den Messehallen in Bremen warten viele auf Antworten.

„Kurios ist es schon“, sagt Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) vorn auf dem Podium. „Als Jungsozialistin wollte ich die Banken verstaatlichen. Nun helfe ich mit, sie zu retten, obwohl sie selbst verschuldet in die Krise geraten sind.“

Reicht es aus, die bestehenden Instrumente des Bankensektors besser zu regulieren, um künftig einen erneuten Kollaps des Systems zu verhindern, fragt der Moderator und Tagesspiegel-Reporter Harald Schumann. Oder müsste grundsätzlich nach Alternativen zu den bestehenden Instrumenten gesucht werden? Was ist mit den Schuldigen? Als der Schweizer Banker Hans-Peter Portmann davor warnt, alle vermögenden Bankleute unter Generalverdacht zu stellen, wird er ausgebuht. Die Suche nach den Verantwortlichen und die Sorge, alles gehe einfach so weiter wie bisher, treibt viele Zuhörer um. Auf dem Podium sind sich Wieczorek-Zeul, Portmann und Hans Helmut Kotz von der Bundesbank einig, dass es richtig war, die Banken zu retten. Zu riskieren, dass sie pleite gehen, hätte die gesamte Demokratie gefährdet.

Aber wann muss man mit dem Reformieren beginnen? Die Banker sind dafür, erst einmal das System wieder zum Laufen zu bringen. Der Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger möchte lieber gleich mit den Reformen beginnen. Zum Beispiel mit einer europaweiten, staatlichen Rating-Agentur, um nicht mehr auf die Einschätzungen der privaten Agenturen angewiesen zu sein. „Gute Idee“, sagt Wieczorek-Zeul, „aber die organisierten Interessen sind sehr groß.“ „Das ist es ja“, ruft Sven Giegold, Mitbegründer von Attac, „wenn wir Lobbyisten und Politiker nicht trennen, wird sich nichts ändern.“ Lautes Johlen und Klatschen geht durch die Halle. Ein iranischstämmiger Banker, der bei Crédit Suisse in Frankfurt arbeitet, schlägt als Alternative Islamic Banking vor. Der Islam verbietet Zinswirtschaft, Ethik-Kommissionen in den Banken achten darauf, dass nur Firmen unterstützt werden, die keine Dumpinglöhne zahlen und weder in der Rüstungs-, noch in der Porno- oder Glücksspielindustrie tätig sind.

Am Abend zuvor hatten Tausende Altkanzler Helmut Schmidt bejubelt, als er im Gespräch mit Weltbank-Präsident Robert E. Zoellick internationale Regeln für die Finanzwirtschaft und eine Aufsichtsbehörde forderte. Und natürlich sei auch in Zukunft kräftiges Wirtschaftswachstum nötig, sagte Schmidt. „Auf andere Gedanken können nur Studienräte kommen, die eine ordentliche Pension haben.“

Aber vielleicht kommen Veränderungen gar nicht durch die ganz großen Reformen, sondern leise und auf abgelegenen Pfaden. So wie auf dem „Markt der Möglichkeiten“ in den Lagerhallen am Bremer Europahafen. Hier werben Dutzende Vereine und Organisationen für alternative Wirtschaftsprojekte. Bevölkert sind nicht die Stände, die den Kapitalismus verteufeln. Statt Ideologie wollen die Besucher lieber Tipps, wie sie ihr Geld im bestehenden System ethisch korrekt anlegen können. So sind am Stand von „Grünes Geld – grüner Strom“ nach einem Tag alle Prospekte der „Ethik-Bank“ vergriffen. Nach dem Kirchentag in Köln vor zwei Jahren sei sie mit dem festen Vorsatz nach Hause gefahren, zur Öko-Bank zu wechseln, erzählt eine Frau Mitte 30. „Mir hat sich eine ganz neue Dimension erschlossen, wie man mit Geld umgehen kann.“

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