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Kirgistan: Eine stabile Regierung ist nicht in Sicht

Beobachter sind mit dem fairen Ablauf der Wahl in Kirgistan zufrieden. Dennoch hat das Land nun ein Problem mehr: Keine Partei erreichte ein zweistelliges Ergebnis.

Das Lob kommt von allen Seiten. Die Regierung in Bischkek selbst ist davon überzeugt, dass die Wahlen in Kirgistan am Sonntag die demokratischsten der vergangenen 20 Jahre gewesen sind. Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa sagte im Fernsehen der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik, es sei normal, dass die Beteiligung bei nur 56 Prozent lag – weil kein Zwang ausgeübt wurde. Beobachter aus 32 Ländern und der OSZE sprachen ebenfalls von weitgehend freier und fairer Abstimmung.

Sie war nötig geworden, weil Unruhen Anfang April Staatschef Kurmanbek Bakijew zum Rücktritt gezwungen und eine von der Opposition gebildete Übergangsregierung an die Macht gespült hatten. Diese hatte das Parlament aufgelöst und mit einer neuen Verfassung, die Ende Juni per Referendum bestätigt wurde, dem Land ein neues politisches Modell verpasst. Ein Gutteil der Kompetenzen, die bisher der Präsident wahrnahm, geht an die Legislative. Die 120 Abgeordneten wählen und entlassen auch die Regierung. Deren Chef muss sich die Macht allerdings bis Ende 2011 mit Übergangspräsidentin Otunbajewa teilen. Wenn alles gut geht. Wenn nicht, drohen neue Unruhen wie im Juni, als der Konflikt zwischen dem kirgisischen Mehrheitsvolk und der usbekischen Minderheit zu blutigen Kämpfen eskalierte. Das Ergebnis: über 2000 Tote und fast eine halbe Million Kriegsflüchtlinge.

Experten schließen neue Gewalt nicht aus. Denn von den 29 zugelassenen Parteien scheiterte die Mehrheit an der Fünfprozentklausel. Diese galt es, weil der uralte Nord-Süd-Konflikt das Land schon mehrfach an den Rand eines Bürgerkrieges brachte, beim Gesamtergebnis und in jeder der acht Regionen zu überwinden. Die Kehrseite der Medaille: Jene fünf Parteien, die die Hürden nahmen, konnten keine überzeugenden Mehrheiten auf sich vereinen. Sie erhielten nur zwischen fünf bis neun Prozent aller Stimmen.

Damit aber lässt sich keine Regierung bilden, schon gar keine stabile. Auch dann nicht, wenn Otunbajewas Sozialdemokraten und die sozialliberale Atameken von Omurbek Tekebajew – Ex-Parlamentschef und die Nummer zwei der Übergangsregierung – ihre Rivalitäten zurückstellen. Eine große Koalition ist völlig undenkbar. Sie setzt Kompromissbereitschaft voraus, und damit tun sich Parteien in allen Nachfolgestaaten der Sowjetunion bisher extrem schwer. Sogar in der Republik Moldau, die historisch lange zu Rumänien gehörte und daher europäischem Politikverständnis nahesteht. Mangels Konsens gibt es dort seit eineinhalb Jahren keine handlungsfähige Exekutive. In Kirgistan indes sind Parteien der verlängerte Arm regionaler und ethnischer Clans, setzten im Wahlkampf auf die nationale Karte und heizten die latenten interethnischen Spannungen erneut an.

Das Wahlergebnis spiegele die tiefe Zerrissenheit der kirgisischen Gesellschaft wider, sagte der Zentralasienexperte Arkadi Dubnow. Einziger Ausweg aus dem Dilemma sei Rückendeckung Russlands – darunter auch finanzielle – für eine Partei oder ein Parteienbündnis. Bisher hatten Moskau wie Washington Otunbajewa unterstützt.

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