zum Hauptinhalt
Der Präsident des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, beim Auftakt der Verhandlung über die Informationsrechte des Bundestags gegenüber der Bundesregierung in den Verhandlungssaal.

© Uwe Anspach/dpa

Klage am Bundesverfassungsgericht: Die Regierung schließt allzu oft die Öffentlichkeit aus

Es geht um eine "Operation nahe am Herzen der Demokratie": Das Verfassungsgericht deutet an, dass die Ministerien ihre Arbeit besser erklären müssen. Richtig so. Ein Kommentar.

Ausnahmsweise einmal zwei Tage lang hat das Bundesverfassungsgericht über eine Klage der oppositionellen Grünen-Fraktion verhandelt. Sie scheinen es wichtig zu nehmen, was die Politiker wollen: Wissen zu teilen, über das die Regierung verfügt oder zumindest verfügen kann. Tatsächlich nennt Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle das Verfahren eine „Operation nahe am Herzen der Demokratie“. Womöglich ist sie überfällig, denn die Einlassungen der Bundesregierung zeigen, dass hier etwas aus dem Takt geraten ist.

Parlamentarische Fragen sind das wirksamste Mittel einer Opposition, die Regierung unter Druck und sich selbst und ihre politischen Vorschläge in Szene zu setzen. Die Antworten darauf, die vollständig und wahrheitsgemäß zu geben sind, bilden eine maßgebliche Ressource, um Letztere überhaupt entwickeln zu können. Routinemäßig werden jedoch Angaben verweigert oder Dokumente als vertraulich gestempelt. Abgeordnete haben dann zwar Zugriff, müssen ihre Erkenntnis aber für sich behalten. Wie soll man damit Politik machen?

In der Geheimschutzstelle des Bundestags schlägt es jedenfalls nicht, das Herz der Demokratie. Es schlägt in der Öffentlichkeit, oder vielmehr: Es ist die Öffentlichkeit selbst. Parlamentarische Kontrolle unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wie sie etwa bei Geheimdiensten kaum anders denkbar ist, muss eine Ausnahme bleiben, wird von der Regierung aber allzu oft zur Regel gemacht. Es liegt darin auch etwas Schicksalhaftes angesichts langer und womöglich noch weiterer Jahre Großer Koalition, die mit Gesetzgebung und Exekutivgewalt zusammenwachsen lässt, was nicht zusammengehört.

So erscheint auch die Haltung der Bundesregierung im Karlsruher Rechtsstreit als Ausdruck eines politischen Missverständnisses: Die Herrschenden meinen, nur jene Informationen zu schulden, die unmittelbar über ihre eigene Tätigkeit Aufschluss geben. Kenntnisse von staatlichen Wirtschaftsunternehmen oder wirtschaftlichen Regulierungsbehörden seien dagegen stark eingeschränkt oder gar nicht zur Diskussion zu stellen. „Nicht unser Verantwortungsbereich“, hieß es vor Gericht.

Das könnte sich als Irrtum erweisen. Denn Politik ist mehr als Verwaltung und Gesetzesvollzug, sie gestaltet und entwickelt. Sie lebt von Ideen und dem Wollen, sich dafür Mehrheiten zu beschaffen. Grundlage dafür ist gesichertes Wissen vom Ist-Zustand. Exemplarisch erweist sich dieser Bedarf im Karlsruher Streitgegenstand, den Details zu staatlichen Hilfen in der Bankenkrise sowie zu Bahn-Investitionen und Zugverspätungen. Hier agiert der Staat mit Milliarden, steuert sogar einen eigenen Konzern – und sucht sich anschließend aus, inwieweit er Rechenschaft ablegt.

Auch wirtschaftliches Wissen des Staates kann geschützt sein, vor Öffentlichkeit und Parlament. Die Bankenkrise hieß nicht umsonst so. In der Krise kann nicht alles und nicht sofort auf den Tisch, sonst gefährdet es ihre Bewältigung. Aber ein paar Jahre danach? Und die Bahn ist kein Unternehmen wie andere auch. Sie ist ein Staatskonzern und damit auch der Politik verpflichtet.

Ein Urteil, das an diese Pflicht erinnert, könnte hilfreich sein. Es würde auch Vertrauen schaffen. Die Gefahren, die von der Mitteilung von Fakten ausgehen, werden meistens überschätzt. Gefährlich ist Politik ohne Fakten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false