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Klar-Gnadengesuch: Kein Mangel an Ratschlägen

An Ratschlägen hat es Bundespräsident Köhler nicht gemangelt - zumal an ungebetenen. Politiker der CSU bedrängten Köhler, dem Ex-RAF- Terroristen Klar keine Gnade zu erweisen, und verbanden das gar mit der Drohung, ihn bei einer Kandidatur für eine zweite Amtszeit die Stimme zu verweigern.

Berlin - Hatten manche erwartet, dass Köhler nach dem massiven Druck nun erst recht Klar begnadigen könnte, so entschied der Bundespräsident, von einem Gnadenerweis für Klar abzusehen. Zugleich wies er das Gnadengesuch des RAF-Mitglieds Birgit Hogefeld ab, auch wenn er sich damit zu gegebener Zeit nochmals zu befassen gedenkt. Während die Debatte über eine mögliche Begnadigung Klars immer neue Wellen schlug, war das ebenfalls seit geraumer Zeit vorliegende Gnadengesuch Hogefelds im Verborgenen geblieben.

Klar selbst war es, der mit einem Grußwort an die Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar in Berlin die Debatte über sein Gesuch so richtig anheizte. Mit seinem Aufruf, "die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen", lieferte Klar, wohl auch in Fehleinschätzung der Folgen, den Begnadigungs-Gegnern eine Steilvorlage. Eine vorzeitige Entlassung kam für sie jetzt schon gar nicht mehr in Frage.

30 Jahre nach dem "Deutschen Herbst" hatte die Debatte über die Terror-Verbrechen die Republik wieder eingeholt. 1977 zogen die RAF-Terroristen mit zahlreichen Attentaten eine blutige Spur durchs Land. Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto, Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer und andere waren ihre Opfer. Einer der Haupttäter: Christian Klar. Ihm wurde die Beteiligung an neun Morden und mehreren Mordversuchen zur Last gelegt. Urteil: mehrfach lebenslänglich.

Gründliche Prüfung des Gnadengesuchs

Noch zur Amtszeit von Köhlers Vorgänger Johannes Rau beantragte Klar ein Gnadengesuch. Rau hielt seinerzeit nach eingehender Prüfung die Sache für noch nicht entscheidungsreif und überließ sie seinem Nachfolger. Einfluss auf Rau hatte ein Fernsehinterview Klars mit dem Journalisten Günter Gaus im Dezember 2001. Dabei hinterließ Klar den Eindruck, dass er sich unbeirrt am ideologischen Gerüst der RAF festklammert und jede für ihn schmerzliche Einsicht verweigert. Inzwischen soll sich Klar, so berichtet es die Anstaltsleitung im badischen Bruchsal, mit seinen Verbrechen auseinander gesetzt haben.

Köhler befasste sich ausführlich mit dem Gnadengesuch Klars und versuchte, in zahlreichen Gesprächen ein Bild zu gewinnen. Dies geschah in der Regel im vertraulichen Kreis. Als Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, unmittelbar vor einem Treffen mit Köhler an die Öffentlichkeit trat und eine Begnadigung Klars ins Gespräch brachte, wird das dem Bundespräsidenten nicht gefallen haben. Andere - wie Hanns-Eberhard Schleyer, dessen Vater die RAF 1977 entführt und ermordet hatte - folgten auch der Einladung des Präsidenten zum Gespräch, enthielten sich aber in der Öffentlichkeit jeden Kommentars.

Rau, Herzog und von Weizsäcker begnadigten RAF-Terroristen

Köhlers Vorgänger Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Rau begnadigten sechs ehemalige RAF-Terroristen. Der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) entschied positiv über zwei weitere Gnadengesuche. Entscheidend für Köhler war nun allem Anschein nach das persönliche Treffen mit Klar am vergangenen Freitag an einem neutralen Ort in Süddeutschland. Das war der letzte Mosaikstein für seine Entscheidung, auch wenn das Präsidialamt zum Inhalt des Gesprächs nichts verlauten ließ.

Ungewöhnlich war das Trommelfeuer der Kritik, das Köhler nicht nur wegen des Treffens über sich ergehen lassen musste. Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber etwa befürchtete einen späten Sieg der Terroristen, "wenn der Staat so tut, als wären RAF-Mörder die besseren Mörder". Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sah sich schließlich genötigt, zu Zurückhaltung und Respekt aufzurufen. Manch einer sah schon das Amt des Bundespräsidenten durch die Anwürfe beschädigt.

Köhler erging es ähnlich wie Weizsäcker, der 1988 erstmals in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands über die Begnadigung von Lebenslänglichen entscheiden sollte. Der damalige CSU-Chef Franz-Josef Strauß, der ohnehin kein gutes Verhältnis zu Weizsäcker hatte, hielt eine mögliche Begnadigung von RAF-Terroristen für völlig unabgebracht. Weizsäcker ließ sich davon nicht beirren und traf sich mit Angelika Speitel und Peter-Jürgen Boock. Speitel begnadigte er, Boock nicht. Boock, der jüngst mit neuen Varianten zur Ermordung Bubacks aufwartete, wurde am 13. März 1998 auf Bewährung entlassen. (Von Norbert Klaschka, dpa)

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