zum Hauptinhalt

Politik: Klarer Sieg für Österreichs Kanzler

Schüssels ÖVP deutlich stärker als die Sozialdemokraten / Haiders FPÖ weit abgeschlagen

Wien. Erstmals seit 36 Jahren ist die konservative Volkspartei (ÖVP) in Österreich als stärkste Kraft aus einer Parlamentswahl hervorgegangen. Mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an der Spitze errang die Partei beim vorgezogenen Urnengang am Sonntag 42,3 Prozent der Stimmen und verwies die Sozialdemokraten mit 36,9 Prozent deutlich auf den zweiten Platz. Die rechtspopulistische Freiheitliche Partei (FPÖ) von Jörg Haider, die bis September mit der ÖVP die Koalitionsregierung gestellt hatte, verlor im Vergleich zu 1999 fast zwei Drittel der Wählerstimmen und stürzte auf 10,16 Prozent ab.

Während die ÖVP über den in dieser Höhe völlig unerwarteten Wahlsieg jubelte – die Demoskopen hatten ein sehr enges Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Sozialdemokraten vorausgesagt, zerstoben die Hoffnungen der SPÖ, die von der FPÖ enttäuschte Wählerschaft an sich binden zu können. Damit wird der von der linken Hälfte der Wählerschaft ersehnte Regierungswechsel hin zu Rot-Grün rechnerisch unmöglich. Die Grünen, die 1999 mit 7,4 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis eingefahren hatten, kamen diesmal auf 9,0 Prozent.

In dem 183 Sitze umfassenden Parlament haben Rote (69 Sitze) und Grüne (16 Sitze) nicht die Mehrheit. Damit spricht alles für eine Weiterführung der schwarz-blauen Koalition, bei der sich die ÖVP auf 79 Mandate (plus 27) stützen kann. Die FPÖ kommt bei einem Verlust von 33 Sitzen auf 19 Mandate. Die Niederlage der Freiheitlichen ist in der österreichischen Geschichte so beispiellos wie der Sieg der Volkspartei ÖVP. War Jörg Haiders Partei seit 1986 durch eine kaum unterbrochene Serie von Zuwächsen und Siegen aufgefallen, so stürzt sie nun auf den Stand der Vor-Haider-Ära zurück. Zwei Drittel der FPÖ-Wähler wanderten ab, vorzugsweise zur ÖVP.

Schüssel sprach von einem „atemberaubenden Sieg“ seiner Partei. Es gebe bei diesem klaren Ergebnis „Gott sei Dank keinen Zweifel, wer Österreich führen wird". Schüssel wich allen Fragen nach seinen Koalitionsvorstellungen aus und kündigte „offene Gespräche mit allen Parteien“ an: „Wir wollen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen und grenzen niemanden aus.“ SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer, der zuerst offenbar noch mit einem Platz in der Regierung geliebäugelt hatte, rang sich im Lauf des Abends zur Feststellung durch: „Unser Platz ist in der Opposition". Die Grünen beklagten, sie hätten ihr Wahlziel, die schwarz-blaue Mehrheit zu brechen, nicht erreicht.

Schon während der zweieinhalb Jahre, in denen die FPÖ regierte, war ihr Nimbus verblasst. Bei Landtagswahlen zeigte sich ein deutlich reduziertes Wählervertrauen. Bei der Parlamentswahl 1999 war es der FPÖ gelungen, den Sozialdemokraten große Teile der klassischen „roten“ Klientel abzunehmen, vor allem die Arbeiter in den ehemaligen Zentren der Schwerindustrie und die „kleinen“ Leute in den Sozialwohnbauten Wiens. ÖVP-Chef Schüssel sprach den reformorientierten Teil der freiheitlichen Wähler an und holte als Sinnbild dafür den FPÖ-Finanzminister Karl-Heinz Grasser in sein Wahlkampfteam. Grasser soll Finanzminister im Kabinett Schüssel bleiben.

Zur Startseite