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Politik: Kleine Aufbrüche

Papst Franziskus inspiriert auch die Bischöfe in Deutschland. Doch wohin es gehen soll, ist unklar.

Berlin - Der frische Wind aus Rom weht auch in die katholischen Bistümer in Deutschland. Das war bei der Herbstvollversammlung der 65 Bischöfe und Weihbischöfe in Fulda zu spüren. Am Donnerstag ging das viertägige Treffen zu Ende.

Bischöfe zitieren Papst Franziskus in ihren Predigten rauf und runter. Verkrustungen brechen auf, Diskussionen werden lebendiger, vielleicht auch ehrlicher.

Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki bezog sich auf Franziskus’ Friedensbotschaft in Richtung Syrien, als er predigte: „Außerhalb von Gott ist kein Friede möglich.“ Wahrer Friede sei nie menschliches Werk. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode forderte mehr Frauen für kirchliche Leitungsfunktionen und zitierte den Papst mit seinem Satz vom „weiblichen Genius“, der nötig sei, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden. Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch erinnerte in seiner Eröffnungsrede fast in jedem Absatz an den Papst und wünscht sich wie dieser eine barmherzige und bescheidene Kirche, eine, die den Menschen zuhört und sich an die Ränder der Gesellschaft wagt – auch zu denen, die von der Kirche nichts wissen wollen. Einer nennt den neuen Papst so gut wie nie: der Kölner Kardinal Joachim Meisner. Er kann sich mit dem neuen Kurs in Rom offenbar gar nicht anfreunden.

Getreu der päpstlichen Bescheidenheitskampagne empfahl Erzbischof Zollitsch seinen Bischofskollegen, die Organisationsstrukturen der Bischofskonferenz und in den Bistumsverwaltungen zu verschlanken – sozusagen eine Mini-Kurienreform. Die Reaktionen darauf sollen unterschiedlich ausgefallen sein.

Denn dass viele nun Franziskus auf den Lippen tragen, heißt noch lange nicht, dass sie sich einig wären, wohin es gehen soll mit der katholischen Kirche. Es zeigt aber, dass die Äußerungen des Papstes inhaltlich so breit angelegt und in vielem noch so unkonkret sind, dass jeder herauslesen kann, was ihm in seine Theologie, in seine Ausrichtung passt. Die Liberaleren lesen das liberal Klingende heraus, die Konservativen das Fromme, die sozial Engagierten die Option für die Armen. Wie groß die Spannungen in der Bischofskonferenz sind, wie tief die Zerklüftungen, lässt sich an der Tatsache ablesen, dass sich die Bischöfe auf der Herbstvollversammlung wieder nicht auf eine Lösung für die angeschlagene kircheneigene Verlagsgruppe Weltbild einigen konnten.

Die Rede von Erzbischof Zollitsch in Fulda war zugleich seine Abschiedsrede. Im März läuft seine Amtszeit als Vorsitzender der Bischofskonferenz nach sechs Jahren aus. Zollitsch ist 75 Jahre alt und will sich zur Ruhe setzen. Er regte in Fulda an, die Bischöfe sollten sich vor der Wahl des nächsten Vorsitzenden Zeit nehmen, um über die Probleme der Kirche und mögliche Lösungswege zu diskutieren – ähnlich wie es die Kardinäle beim Vorkonklave vor der Papstwahl in Rom getan haben. Bislang bereiten die einflussreichsten Kardinäle in der Bischofskonferenz die Wahl des Vorsitzenden vor, indem sie hinter den Kulissen die Strippen ziehen – ähnlich wie im politischen Geschäft. Ein Treffen vor der Wahl mit Bewerbungsreden und offenen Aussprachen würde die Vorgänge transparenter machen. Als stärkste Favoriten für das Amt werden derzeit der Münchner Kardinal Reinhard Marx und der Berliner Kardinal Woelki gehandelt. Mal sehen, wie sie den Papst im nächsten halben Jahr interpretieren. Claudia Keller

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