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Politik: Kleine Koalition

Von Stephan-Andreas Casdorff

Sie können es nicht. Sie wagen es nicht. Sagt: die Wirtschaft. Sagt: die Opposition. Sagen: die Ministerpräsidenten. Manche offen, manche im Hinterzimmer. Eine Koalition, nach einem Jahr groß in den Widerständen, die sie provoziert; Widerständen, die aus der Sache kommen, und Widerständen, die den Personen entgegenstehen.

Sie mag es nicht. Sie wagt es nicht. Sagt: die Wirtschaft. Sagt: die Opposition. Sagen: Ministerpräsidenten, Parteifreunde, frühere Minister, Generalsekretäre. Sagen es unverblümt. Die Koalition hinter der Kanzlerin – sie ist klein. Widerstände gibt es gegen ihre Politik in der Sache, weil die so ganz, ganz anders ist, als sie es versprochen hat. Und Widerstände gegen die Person, eben weil sie so redet, wie sie redet, so gar nicht zu führen scheint, sondern mehr aus dem Hintergrund lenken will.

„Ich werde erfolgreicher sein.“ Sie beginnt, sich zu vergleichen. Sie sucht den Vergleich. Sie will den Wettbewerb. Wer war noch Schröder? Ihr Ich wird größer. Und doch kommt es immer wieder zu diesem Streit, über alles und jedes, über Minister und ihre Erfolge, über das von den Vorgängern an Reformen Geerbte, über das Selbstgemachte. Ob Hartz IV oder Rente oder Mindestlohn oder Unternehmensteuer – wo gerade eine Einigung angestrebt wird oder gerade eine erreicht wird, ist eines gewiss: dass am nächsten Tag wieder alles infrage gestellt wird. Bis ins Kleinste. Dabei sind die Fragen, die Herausforderungen, die Probleme groß. Richtig erfolgreich wirkt das nicht.

Nicht einmal in der Außenpolitik ist es noch strahlend wie zu Beginn. Grau ist alle Theorie, wohl wahr, aber es fehlt dann doch ein Konzept für alles, was Deutschland betreffen könnte. Energiepolitik, zum Beispiel. Das ist die Zukunftsfrage im Blick auf Deutschland, Europa, Russland und das Ressourcen hortende China. Das Thema vagabundiert in der Regierung, vom Außenminister zum Umweltminister, über den Wirtschaftsminister hinweg, nur bei der Kanzlerin landet es in Nebensätzen. Obwohl es für eine Industrienation dieses Zuschnitts von allerhöchster Bedeutung ist, strategisch gewissermaßen. Oder, für die Physiker der Macht: Ausschlag gebend für das internationale Kräfteparallelogramm. Vom innenpolitischen, dem in der Koalition, zu schweigen.

Groß ist der Unmut inzwischen im Land. Die Menschen wenden sich ab nach diesem einen Jahr, von der Politik, den großen Parteien zumal. Eklatant ist es bei beiden, bei Union und SPD, alarmierend bei der Partei der Kanzlerin. Die CDU ist im Tief wie nie. Sie verliert im Westen wie im Osten. Die Kanzlerschaft bringt keinen Bonuspunkt. Sie ist so wenig profiliert: nicht christdemokratisch, nicht konservativ, sozial, liberal. Und zu den großen Zukunftsthemen legt sie Fragen vor, nicht Antworten, die CDU. Ist es da ein Wunder, dass die Lücken sich diejenigen suchen, die sie füllen?

Unterphilosophiert ist diese Politik. Allemal auch bei den Sozialdemokraten. Man soll die Menschen aber nicht unterschätzen. Viele sind viel informierter, als die Politiker glauben. Und die Mehrheit ist bereit, Opfer zu bringen, solidarisch zu handeln, sogar höhere Steuern zu bezahlen. Unter zwei Bedingungen: Sie müssen den Sinn der Sache begreifen und davon überzeugt sein, dass es gerecht zugeht. Das ist Politik, von Beginn an gewesen. Und Politik im Geiste der Aufklärung ist möglich. Das wäre eine Koalitionsräson.

Sie können es schaffen. Sie müssen es wagen.

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