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Politik: Kleine Ohrfeige vom großen Bruder

US-Präsident George W. Bush lässt den Kanzler für dessen Irak-Linie rügen – Gerhard Schröder sieht die Sache etwas anders

Von Robert Birnbaum

Die USA sind offenbar wenig glücklich über den deutschen Umgang mit einem möglichen Krieg gegen den Irak. Die Regierung in Washington hat dies in der vorigen Woche bei einem Gespräch deutlich machen lassen, das der US-Botschafter in Berlin, Daniel Coats, im Kanzleramt geführt hat. Die Bundesregierung bestätigte am Sonnabend das Treffen Coats’ mit einem „hohen Beamten“ – es handelte sich nach Tagesspiegel-Informationen um Kanzleramtschef Frank Walter Steinmeier. Zum Inhalt wollte ein Regierungssprecher aber nur so viel sagen: Dem Botschafter sei die deutsche Haltung in der Irak-Frage „verdeutlicht“ worden.

Das war offenkundig notwendig. Die „New York Times“ zitierte ranghohe amerikanische Regierungsvertreter, die Coats’ Intervention als ebenso deutlich wie ungewöhnlich beschrieben. Der Botschafter habe förmliches Missfallen seiner Regierung an Bemerkungen von Kanzler Gerhard Schröder zu dem Thema geäußert. So habe man es in Washington gar nicht gern gehört, dass die Deutschen über angeblich mangelnde Bereitschaft der USA zu Konsultationen ihrer Verbündeten klagten. Auch Schröders Einstufung eines Feldzugs gegen Irak als „Abenteuer“ sowie die Charakterisierung des Präsidenten George W. Bush in der Öffentlichkeit als „schießwütiger Texaner“ sei auf Unverständnis gestoßen – von Schröders „deutschem Weg“ zu schweigen. Die US-Regierung wisse wohl, dass der Kanzler einen schwierigen Wahlkampf führen müsse. Sie wisse auch, dass Schröders striktes Nein zu einer deutschen Beteiligung an einem Irak-Krieg weit verbreitete Bedenken in Europa widerspiegele. Gleichwohl habe man sich zu dem „unter engen Verbündeten höchst ungewöhnlichen Schritt“ entschlossen, Coats ins Kanzleramt zu schicken, zitiert die „New York Times“ einen ranghohen Informanten. Wobei – auch darauf weisen die US-Quellen hin – der Botschafter ganz bewusst nicht beim Kanzler selbst vorstellig geworden sei, um den Dissens nicht zu hoch zu hängen. Auch eine im diplomatischen Verkehr übliche Beschwerde beim Auswärtigen Amt wurde nicht gewählt.

In der Bundesregierung wird das Gespräch mit Steinmeier übrigens etwas idyllischer geschildert: Der Botschafter habe sich „interessiert nach der deutschen Position erkundigt“, heißt es. Schröder zeigte sich unbeeindruckt: Die Beteiligung an einem Irak-Krieg sei „mit Deutschland unter meiner Führung nicht zu machen“, bekräftigte der Kanzler am Sonnabend in Dortmund.

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