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Der neue Guttenberg.

© dapd

Politik: Kleine Schuld

23 Stellen in Guttenbergs Doktorarbeit wären strafbar – zu wenig, meinen Ermittler und Gericht.

Berlin - Vor ihm wurde manchem Politiker diese Gnade zuteil. Laut Gesetz darf die Staatsanwaltschaft von einer Anklage absehen, wenn Gericht und Beschuldigter es so wollen, die Schuld gering ist und Auflagen gemacht werden, die geeignet sein sollen, „das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen“. Karl- Theodor zu Guttenberg hat nun 20 000 Euro an die Deutsche Kinderkrebshilfe gezahlt, um aus dem Verfahren herauszukommen. Ein paar Nummern kleiner als beispielsweise Ex-Kanzler Helmut Kohl, der in der Parteispendenaffäre 300 000 Mark berappen musste, um eine weiße Weste zu behalten.

Bei Guttenberg ging es um die Übernahme fremder Textpassagen in seiner Dissertation „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“. Der Doktortitel war ihm dafür aberkannt worden. Strafbar wäre die Schummelei nach dem Urheberrechtsgesetz gewesen. Aber weder die Staatsanwaltschaft Hof, bei der die Ermittlungen gebündelt worden waren, noch das Hofer Amtsgericht oder Guttenberg wollten das.

Bei der Staatsanwaltschaft Hof seien insgesamt 199 Strafanzeigen eingegangen, wovon jedoch lediglich eine von einer betroffenen Rechteinhaberin stammte, hieß es. In „aufwendiger Recherchearbeit durch Polizei und Staatsanwaltschaft“ sei die gesamte Doktorarbeit des früheren Verteidigungsministers untersucht worden. Bei Weitem nicht alle übernommenen Stellen hätten strafrechtliche Qualität, „sondern nur solche, die Werkqualität haben, also persönliche geistige Schöpfungen sind“. Es ging also bei der Prüfung nicht um wissenschaftliche Inhalte, sondern darum, ob sich bei den abgekupferten Passagen „die schöpferische Eigentümlichkeit aus der Art und Weise der Darstellung“ ergibt, woran „hohe Anforderungen“ zu stellen seien. 23 Textpassagen seien danach als strafrechtlich relevante Urheberrechtsverstöße herausgearbeitet worden.

Weil das Urheberrecht im Wesentlichen die Verwertungsrechte der Urheber schütze und damit deren wirtschaftliche Interessen sei der angerichtete Schaden „nur marginal“. Auch habe der nicht vorbestrafte Beschuldigte selbst keine wirtschaftlichen Vorteile aus seiner Doktorarbeit gezogen. Betrug oder Untreue zum Nachteil der Bundesrepublik seien ebenfalls ausgeschlossen. Das hatten die Ermittler geprüft, weil Guttenberg aus Bundestags-Gutachten kopiert hatte.

Andere wurden für Vergleichbares schon härter bestraft, mussten aber weniger zahlen. Wie der frühere nordrhein- westfälische CDU-Politiker Andreas Kasper etwa, der für das Abkupfern bei seiner juristischen Dissertation einen Strafbefehl von 9 000 Euro (90 Tagessätze) bekam, knapp unter der Vorstrafengrenze. Kasper hatte nach Auskunft der zuständigen Staatsanwaltschaft auf 50 Seiten faule Stellen und längstens zwei zusammenhängende Seiten kopiert.

 Jost Müller-Neuhof

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