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Politik: Kleine Streits in der großen Koalition

Berlin - Wer genau hinhört, vernimmt ein starkes Rasseln an den Ketten. Aber am Freitag halten die Fesseln der Disziplin, die sich die Union selbst angelegt hat.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Wer genau hinhört, vernimmt ein starkes Rasseln an den Ketten. Aber am Freitag halten die Fesseln der Disziplin, die sich die Union selbst angelegt hat. „Kein Öl ins Feuer“, heißt die Losung zum Umgang mit dem ersten Schlagabtausch, den sich die Partner der großen Koalition auf Spitzenebene geliefert haben. Nicht mal dann, wenn der sozialdemokratische Partner das Feuerchen kurz vor seinem Parteitag am Wochenende noch mit ein paar Scheiten nährt.

Das Feuer gelegt hat Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Eigenschaft als CDU-Chefin. Bei einer CDU-Regionalkonferenz in Karlsruhe hatte sie der SPD attestiert, nicht immer die Reformfreudigste zu sein. Kein gezielter Angriff, eher eine Nebenbemerkung, wie man sie eben schon mal zu hören bekommt auf Parteiveranstaltungen. Kurt Beck, kurz vor der Wahl zum neuen SPD-Chef, nahm die Vorlage aber prompt auf. Am Freitag früh setzte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil das Muskelspiel fort: „Die SPD gibt den Takt vor“, verkündete Heil in der ARD. Das ärgere anscheinend einige in der Union.

Zum einen, weil man sich zu Unrecht attackiert fühlt: „Man kann ernsthaft nicht bestreiten, dass der SPD jeder Reformschritt in Richtung von mehr Liberalität sehr schwer fällt“, sagt Fraktionsvize Wolfgang Bosbach. Der freilich im Übrigen der Feuerlöschlinie folgt: Die Koalition komme mit gegenseitigen Schuldzuweisungen nicht weiter. Andere werden deutlicher, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. „Wie die SPD sich da so ungestraft aus dem Fenster lehnt, das tut schon weh“, knurrt einer aus der Unionsspitze. Denn Beck und Heil, in Unionsreihen schon mal als „General Unheil“ verunglimpft, haben einen Nerv getroffen. In der Union geht der Eindruck um, dass die SPD von der Kanzlerin Merkel ein symbolträchtiges Zugeständnis nach dem anderen bekommt – von Reichensteuer bis Antidiskriminierungsgesetz –, die Reformanliegen der Union aber weit weniger sichtbar die Politik prägen.

Ob es wirklich hilfreich ist, wenn in dieser Situation Franz Müntefering das Leiden der Union an sich selbst mit Verschwörungstheorien erklärt? „Manche in der Union – besonders einige Ministerpräsidenten – gönnen es Frau Merkel einfach nicht, wenn es gut läuft“, hat der Vizekanzler in einem Interview gesagt. „Immerhin sagt Müntefering damit, dass es gut läuft“, kommentiert ein Unionsmann. Er klingt leicht gequält bei dieser wohlwollenden Deutung.

Aber mehr als das Rasseln der Ketten, wie gesagt, ist der Union nicht zu entlocken. Wenn der SPD-Parteitag am Sonntag vorbei sei, sagt einer, werde dieser Zank sich von selbst erledigen. Und auch der Regierungssprecher Thomas Steg versichert, es gebe „keinerlei Eintrübung“ im Koalitionsklima. Allenfalls „einige Nebengeräusche“. Aber die, sagt Steg, lägen ja wohl im Wesen von Parteien, die am liebsten immer ganz alleine regieren würden. Der Rest sei dann wohl der „Labbadia-Effekt“. Der geht auf den früheren Nationalspieler Bruno Labbadia zurück; ein Mann, der mit dem Fußball weitaus vertrauter war als mit dem Fremdwörter-Duden. „Das wird alles von den Medien hochsterilisiert“, hat Labbadia einst festgestellt.

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