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Politik: Kleiner Sieg, große Niederlage

Beim Parteitag verhindert Blair eine Abstimmung über die Irak-Politik – seine Gesundheitsreform dagegen scheitert

Tony Blair, Großbritanniens Regierungschef, musste bei der Parteitagsdebatte über den nationalen Gesundheitsdienst am Mittwoch die erwartete Niederlage einstecken – kurz bevor der Labour-Parteitag mit der Irakdebatte in noch gefährlichere Gewässer kam. Allerdings war es zuvor der Gewerkschaft RMT nicht gelungen, in letzter Minute doch noch eine Abstimmung über das Thema Irak zu erzwingen. Wegen seiner Irak-Politik steckt Blair in der schwersten Glaubwürdigkeitskrise seiner sechsjährigen Amtszeit. Einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage zufolge gehen 60 Prozent der Briten davon aus, dass Blair sie über die Bedrohung durch den Irak belogen hat.

Entsprechend wurde Blairs Irak-Politik auf dem Parteitag angegriffen. Allerdings quittierten die Delegierten auch eine Rede von Außenminister Jack Straw mit reichlich Beifall. Straw nannte die Entscheidung zum Krieg als die „härteste, die diese Regierung bisher zu fällen hatte“. Sie habe „alles versucht“, den Konflikt mit Saddam Hussein friedlich beizulegen. „Aber wir können uns von den Opfern der Tyrannei nicht einfach abwenden.“

Einen deutlich kühleren Empfang hatten die Delegierten zuvor Verteidigungsminister Geoff Hoon bereitet. Die Entscheidung, britische Truppen in den Krieg zu schicken, sei ihm „nicht leicht“ gefallen, sagte der durch die Affäre um den Irak-Waffenexperten Kelly stark angeschlagene Minister. Jetzt gehe es aber darum, nach vorn zu schauen und den Wiederaufbau des Landes fortzuführen.

Die Labour-Abgeordnete Alice Mahon warf der Regierung vor, die Bürger in der Frage irakischer Massenvernichtungswaffen „belogen“ zu haben. Sie nannte es eine Schande, dass eine Abstimmung über die Rechtmäßigkeit des Krieges beim Parteitag nicht zugelassen wurde.

Mit seiner Gesundheitsreform war Blair zuvor erwartungsgemäß gescheitert. Das Plenum war einem Antrag der Krankenhausgewerkschaft gefolgt, der neue „Foundation Hospitals“ als „Ende des staatlichen Gesundheitssystem“ bezeichnete. Der 1947 unter Labour gegründete Gesundheitsdienst NHS und sein Prinzip einer aus Steuern finanzierten Gesundheitsversorgung gilt als Labours größte Errungenschaft. Entsprechend heftig wurde gestritten. Nach den Reformplänen sollen leistungsstarke Kliniken in gemeinnützige Gesellschaften umgewandelt werden können. Sie blieben für Patienten kostenlos, wären aber von der zentralen NHS-Bürokratie unabhängig, könnten Kredite aufnehmen und eigene Tarifverträge abschließen. Die Regierung erhofft sich davon eine konsumentenfreundlichere, leistungsstärkere Versorgung. Kritiker sehen aber das Gleichheitsprinzip untergraben und befürchten ein „Zweiklassensystem“. Symbolische Bedeutung hat die Reform auch, weil Schatzkanzler Gordon Brown kein Freund der neuen Kliniken ist. Nachdem er sich mit seiner Parteitagsrede am Montag emotional enger an Labours Traditionsflügel gebunden hat, wird das Gesetz so zu einer weiteren heimlichen Kraftprobe zwischen ihm und Premier Blair. (mit dpa)

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