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Klima: Im Wandel

In Posen treffen sich Delegierte aus 189 Ländern, um Strategien gegen die Erderwärmung zu finden. Wie stehen die Chancen für ein neues Kyoto-Protokoll?

In einem Jahr soll in Kopenhagen ein weltweites Klimaschutzabkommen abgeschlossen werden. Der an diesem Montag beginnende UN-Klimagipfel im polnischen Posen (Poznan) ist ein Schritt auf dem Weg dorthin. Zwar hat die Finanzkrise die Verhandlungen nicht einfacher gemacht. Doch 2007 beim Gipfel auf Bali sei „ein aufrichtiges politisches Versprechen“ gegeben worden, gegen den Klimawandel vorzugehen, sagte der Chef des UN-Klimasekretariats Yvo de Boer dem Tagesspiegel. „Die EU will 20 bis 30 Prozent weniger Schadstoffe ausstoßen, und, was wichtig ist, aufstrebende Länder wie China, Indien, Südafrika, Mexiko beginnen, sich zu bewegen.“ Die Chancen stehen also nicht schlecht.


Worüber wird konkret verhandelt?

Die vier wesentlichen Themen lauten: Verminderung von Treibhausgasen, Anpassung an den Klimawandel, Technologietransfer und Finanzierung. Zwischen Bali und Posen gab es bereits vier Verhandlungsrunden auf Beamtenebene. Die Gespräche verlaufen in zwei Strängen. Die Staaten, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben und sich schon zu Emissionsminderungen bis 2012 verpflichtet haben, verhandeln seit 2006 über einen weiteren „Verminderungskorridor“ bis 2020, der zwischen minus 25 und 40 Prozent Kohlendioxid (CO2) im Vergleich zu 1990 liegen soll. Unter der Klimarahmenkonvention, die auch die USA ratifiziert haben, wird über die Elemente eines neuen Klimavertrags diskutiert. Alle relevanten Ideen liegen auf dem Tisch. Ein wichtiges Element ist ein Konzept, wie die tropischen Regenwälder erhalten werden könnten, indem Geld aus dem Norden in Waldstaaten wie Indonesien, Brasilien oder die Demokratische Republik Kongo fließt. In Indonesien und Brasilien ist die Entwaldung die größte Quelle von Treibhausgasemissionen. Weltweit hat sie einen Anteil von 20 Prozent. Besonders umstritten sind der Technologietransfer und die Finanzierung. Speziell da macht bisher kein Land verbindliche Angebote, weil alle ihre Trümpfe erst zum Schluss ausspielen wollen.


Wie verhält sich der Gastgeber Polen?

Ola Antonowicz fühlt sich wie die Ruferin in der Wüste. Immer wieder betont die Sprecherin der Organisation Polska Zielona Siec (Grünes Netz Polen), dass der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen dramatisch gesenkt werden müsse. Doch ihre eigene Regierung in Warschau ist in der EU zu einem der Hauptblockierer in Sachen Klimaschutz geworden. Noch immer wird in Polen etwa 90 Prozent des Stroms aus Stein- und Braunkohle gewonnen. Das seien schlechte Voraussetzungen, beim UN-Klimagipfel bis zum 12. Dezember in Posen als überzeugender Gastgeber aufzutreten, findet die junge Frau. Erst in dieser Woche hat der polnische Europaminister noch einmal mit einem Veto Polens gegen das ambitionierte europäische Klimapaket gedroht. Andererseits scheint den Gastgebern langsam zu dämmern, dass sie weltweit am medialen Pranger stehen werden, wenn sie mit ihrer Sturheit einen Fortschritt beim Klimagipfel verhindern.

Für Polen ist das Ereignis in jeder Hinsicht eine große Herausforderung. Posen ist eine Kleinstadt. Zum Klimagipfel reisen in der Regel rund 20 000 Menschen an. Zimmer sind in Posen Mangelware – und das schon seit Mai. Und der polnische Umweltminister als Vorsitzender der Konferenz ist nach einer kontroversen Wahl erst seit einem guten Jahr im Amt – entsprechend unerfahren ist Maciej Nowicki in so komplexen Verhandlungen.

Welche Rolle spielt die Europäische Union?

Die EU ist traditionell die treibende Kraft bei Klimaverhandlungen. Ohne ihre Führungsstärke bewegte sich bei den internationalen Klimaverhandlungen nahezu nichts. Die EU geht mit dem Ziel in die Verhandlungen, das Kyoto-Protokoll zum Kern des Folgeabkommens zu machen. Die Industriestaaten sollen weitere Verminderungsverpflichtungen übernehmen. Die EU hat minus 30 Prozent bis 2020 angeboten, wenn andere Industriestaaten Vergleichbares zusichern. Sie hat aber auf jeden Fall eine Emissionsminderung von 20 Prozent zugesagt, selbst wenn die Verhandlungen scheitern sollten. Die Schwellen- und Entwicklungsländer sollen ihr Emissionswachstum verlangsamen. Dafür sollen sie technologische und finanzielle Hilfen bekommen. Verbindliche Minderungsverpflichtungen würden sie frühestens im Folgeabkommen des Kopenhagen-Protokolls übernehmen. Zudem will die EU den CO2- Ausstoß des Schiffs- und Flugverkehrs einbeziehen. Arme Länder sollen bei der Anpassung an den Klimawandel finanziell gestützt werden. Die EU hofft, dass sich aus einem weltweiten Kohlenstoffmarkt auch eine sich selbst tragende Finanzarchitektur für die Klimawende entwickelt.

Allerdings ist die EU derzeit selbst in schlechter Verfassung. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso warnte bereits: „Lasst uns mit dem Klimawandel nicht die gleichen Fehler machen, wie sie bei der Finanzkrise gemacht wurden.“ An den letzten beiden Tagen des Posener Gipfels kommen in Brüssel die EU-Staats- und Regierungschefs zusammen, um das EU-Klimapaket zu beschließen. Sollte eine Einigung dabei nicht gelingen, wäre auch der Gipfel in Posen gescheitert.

Was ändert sich an der Position der USA mit dem künftigen Präsidenten Barack Obama?

UN-Klimasekretär de Boer ist überzeugt, dass die USA in Zukunft wieder eine Führungsrolle spielen werden. „Der Klimawandel war ein wichtiger Teil der Kampagne beider Präsidentschaftsbewerber. Das zeigt, dass sich das Denken in Sachen Klimapolitik in Amerika generell verändert hat“, sagte er. Obama habe klargemacht, dass er „national und international Führungsverantwortung übernehmen will“. Er hat bereits angekündigt, die Emissionen der USA dramatisch reduzieren zu wollen. Obama sehe das „als Teil seiner Energiepolitik und auch der Energiesicherheit“, meint de Boer. Klar ist, dass die Regierung seines Vorgängers George W. Bush in Posen noch die Verhandlungen führen wird. Aber Obama wird eine Beobachtergruppe nach Polen schicken. Da die USA rund zehn Jahre auf nationaler Ebene ziemlich untätig waren, sind ihre Emissionen im Vergleich zu 1990 um 16 Prozent gestiegen. Eine Verminderungsverpflichtung zwischen 25 und 40 Prozent bis 2020 wäre selbst für eine so dynamische Wirtschaft wie die amerikanische kaum zu schaffen. Die Frage ist, wie Obama die Schwellenländer mit ins Boot holen wird.


Was wollen die Schwellenländer?

China, Indien und Brasilien argumentieren, dass der Klimawandel durch die Emissionen der Industriestaaten ausgelöst worden ist. Deshalb müssten diese auch den größten Einsatz bringen, um das Problem zu lösen. Allerdings nehmen gerade in China und Indien die Emissionen durch ihr schnelles Wachstum rasant zu. China hat die USA in diesem Jahr als weltgrößter Emittent von Kohlendioxid abgelöst. Doch liegt der Pro-Kopf- Ausstoß Chinas mit rund vier Tonnen pro Jahr immer noch deutlich unter dem der USA mit gut 20 Tonnen oder dem Deutschlands mit gut zehn Tonnen. Die Schwellenländer haben großes Interesse an klimafreundlichen Technologien, vor allem, wenn sie dafür wenig bezahlen müssen. Daher ist für sie das Kapitel Technologie- und Finanztransfer von entscheidender Bedeutung. Dafür werden die Industrieländer größere Summen anbieten müssen. Denn ohne eine Verminderung des Treibhausgasausstoßes auch der Schwellen- und auf lange Sicht aller Entwicklungsländer, wird die globale Erwärmung kaum aufzuhalten sein.

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