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Klimaschutz: Mit voller Energie

Bundeskanzlerin Angela Merkel beharrt beim dritten und letzten Energiegipfel auf ihren Klimaschutzzielen – und ist damit aus Sicht der Industrie zu ehrgeizig.

Berlin - Der dritte und letzte Energiegipfel bei der Bundeskanzlerin hat nach Angela Merkels Worten „in einer sachlichen Atmosphäre“ stattgefunden. So hatte es vor dem Treffen nicht geklungen. Die Industrie warf der Regierung unrealistisch ehrgeizige Klimaschutzziele vor, und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) keilte zurück, er habe den Eindruck, es mit „Wirtschaftsstalinisten“ zu tun zu haben. Auf die Frage, welchen Beitrag zur Sachlichkeit die Kontrahenten beim Energiegipfel geleistet hätten, sagte Merkel grinsend: „Wenn ich dabei bin, ist es einfach sachlich.“ Gabriel flachste: Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) „und ich haben auch nicht nebeneinander gesessen“. Dem widersprach Merkel und meinte: „Aber ich war ja dabei …“ Tatsächlich also gab es auf der Regierungsbank nach dem Gipfel einiges zu lachen.

Bei der Industrie weniger. Denn in der Sache blieb Merkel hart. Weder ließ sie über das Klimaschutzziel mit sich verhandeln, die Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Noch ließ sie sich auf ein weniger ambitioniertes Ziel bei der Steigerung der Energieeffizienz ein. Vattenfall-Chef Klaus Rauscher sagte der Nachrichtenagentur AP nach dem Gipfel: „Letztlich entscheiden muss die Politik. Wir können nur unseren Rat zur Verfügung stellen.“ Tatsächlich musste sich die Energiewirtschaft mit nur zwei Zusagen zufrieden geben. Merkel versprach, sich in der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass es mehr Wettbewerb gibt, ohne dass den Konzernen dafür die Stromnetze abgenommen werden. Und sie kündigte an, den Rechtsrahmen für die sogenannte CCS-Technik schnell zu klären. Dabei soll Kohlendioxid (CO2) an Kraftwerken abgeschieden, eingefangen und schließlich sicher gelagert werden (Carbon Capture and Storage). Vor allem Vattenfall und RWE setzen voll auf diese Technologie, um ihre Kohlekraftwerke zu retten. Das hatte vor dem Gipfel auch der FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch gefordert. Er ging aber noch etwas weiter. Kauch verlangt von der Regierung eine Werbekampagne für CCS, weil es in der Bevölkerung „irrationale Ängste gibt“.

Merkel gab zu bedenken, dass ein Großteil der 67 in der „Arbeitsgruppe Energieeffizienz“ ausgearbeiteten Vorschläge die Industrie gar nicht betreffe. Sie erwähnte die Stahlindustrie, deren Verbandsvertreter vor dem Gipfel geklagt hatten, sie könnten ihre Effizienz unmöglich um drei Prozent jährlich verbessern. Das sieht auch Merkel so: „Die sind nahe 100 Prozent.“ Die großen Potenziale sieht Merkel bei der Wärmeversorgung und im Verkehr. Aus dem Umweltministerium heißt es, man verstehe gar nicht, warum die Industrie nicht erkenne, dass die Effizienz ein „Gewinnerthema“ sei.

Das sieht auch Martin Jänicke so, Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen. Er weist darauf hin, dass eine „vernünftige Politik für Energieeffizienz“ geradezu ein Selbstläufer sei. Sobald es klare Vorgaben für die Energieeffizienz gebe, würden dadurch Innovationen angestoßen. Und wenn es darüber hinaus auch noch einen Rechtsrahmen gebe wie etwa eine Ökosteuer, die einen geringeren Energieverbrauch belohne, seien die Vorgaben schnell übererfüllt. Als Beispiel nannte Jänicke im Gespräch mit dem Tagesspiegel Japan mit seinem „Top-Runner-Ansatz“. Dabei werden für eine Vielzahl von Produkten die jeweils energiesparendsten als Norm gesetzt. Innerhalb von fünf Jahren müssen alle Konkurrenzprodukte dieselben Werte erreicht haben. Verfehlen sie das Ziel, dürfen sie in Japan nicht mehr verkauft werden. „Die meisten Vorgaben wurden vorfristig erfüllt“, sagt Jänicke. Ähnliche Erfahrungen gebe es in Großbritannien mit einer Kombination aus einer hohen Klimasteuer, die bis zu 80 Prozent erlassen werden kann, wenn der Energieverbrauch von Häusern durch Wärmedämmung oder eine effizientere Heizung gedrosselt wird. „Das geht schneller, als alle erwartet haben“, sagt der Regierungsberater.

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