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© pa/dpa

Klimawandel: Schlechte Ernte

Vereinte Nationen: Durch den Klimawandel wird der Hunger weltweit steigen.

Berlin - Die Zahl der hungernden Kinder könnte wegen des Klimawandels bis 2050 um weitere 24 Millionen steigen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Welternährungsprogramm (WFP) am Mittwoch beim Weltklimagipfel in Kopenhagen vorgestellt hat. Das ist vor allem deshalb fatal, weil Menschen, die in ihrer Kindheit unterernährt waren, auch weniger Chancen auf eine gute Ausbildung und einen einträglichen Beruf haben. Denn Hunger in den ersten fünf Lebensjahren schadet auch der Hirnentwicklung und behindert die Menschen ihr Leben lang. Das hat der an der Studie beteiligte Think-Tank Ifpri in Washington schon vor einiger Zeit mit einer Langzeituntersuchung nachgewiesen.

Insgesamt dürfte die Zahl der Hungernden wegen des Klimawandels bis 2050 um zehn bis 20 Prozent höher liegen als ohne diese Effekte. Der Grund dafür sind sinkende Ernten wegen vermehrter Dürren oder Wetterkatastrophen, die Ernten vollständig vernichten können. In der Folge dürften die Lebensmittelpreise weiter steigen, was wiederum mehr Menschen zu Hungernden macht, die diese Preise nicht zahlen können. Wie der Mechanismus funktioniert, hat sich 2008 in der Lebensmittelpreiskrise beobachten lassen. Am schwersten werden die afrikanischen Staaten durch diese Entwicklung getroffen werden, doch auch in Südasien und Zentralamerika werde die Zahl der Hungernden, vor allem Kinder, steigen, warnen die Autoren.

Der UN-Beauftragte gegen den Hunger, Olivier de Schutter, sagt: „Der Klimawandel ist eine tickende Zeitbombe für die globale Ernährungssicherheit.“ De Schutter hat das Vorwort für eine ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte Studie der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung „Klimawandel und das Recht auf Nahrung“ verfasst. Barbara Unmüßig, Chefin der Böll-Stiftung, forderte bei der Anpassung an den Klimawandel die „Bedürfnisse der Ärmsten an die erste Stelle zu setzen“. Sonst werde das „Recht auf Nahrung“ weiter unterminiert. Sie wies darauf hin, dass eine exportorientierte Produktion von Agrartreibstoffen, die in den Industrieländern zu einer Senkung der Treibhausgasemissionen dienen sollen, „zu einer immer stärkeren Konkurrenz mit der Produktion von Nahrungsmitteln in Entwicklungsländern“ gerate. Gleichzeitig fördert der Klimawandel den Trend, auch die Nahrungsmittelproduktion aus dem eigenen Land auszulagern und große Flächen vor allem in Afrika zu kaufen oder zu pachten, um dort Lebensmittel für die Golfstaaten oder China anzubauen. Olivier de Schutter sagte: „Dies ist keine theoretische Debatte. Es existieren reale, mit Klimapolitik verbundene Menschenrechtsverletzungen.“

Auch die Autoren der WFP-Studie plädieren dafür, die Anpassung an die unabwendbaren Folgen des Klimawandels stark an den Interessen der Kleinbauern in Entwicklungsländern auszurichten. Selbst kleine Veränderungen, beispielsweise die richtige Beratung für einen veränderten Pflanzbeginn, könne den Hunger um fünf Prozent vermindern. Nötig seien aber auch höhere Investitionen in die Agrarforschung, die Vermarktung von Agrarprodukten von Kleinbauern sowie ein Versicherungssystem, das sie beispielsweise bei klimabedingten Ernteausfällen unterstützt. Außerdem seien Investitionen in Bewässerungssysteme dringend nötig, um die wachsende Bevölkerung auch unter den Bedingungen der globalen Erwärmung ernähren zu können.

Besonders wichtig ist es nach Einschätzung der Autoren aber, das Land besser zu managen. Die Verfügungsrechte über natürliche Ressourcen würden durch den Klimawandel noch weiter politisiert, heißt es in der Studie. Deshalb müsse es den Ärmsten möglich sein, ihre Interessen in der Auseinandersetzung auch zu Gehör zu bringen. Das sieht auch die Böll-Stiftung so, die eine stärkere Verknüpfung der Klimadebatte mit dem Schutz der Menschenrechte fordert. De Schutter hält Berichtssysteme aus der Menschenrechtspolitik für gut geeignet, um auch im Zusammenhang mit Klimapolitik und Anpassungspolitik den Schutz der Interessen der schwächsten Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten.

Einig sind sich Böll-Stiftung und WFP auch noch in einer anderen Frage: Sie halten eine globale Minderung der Treibhausgasemissionen für dringend notwendig, um nicht in absehbarer Zukunft mit einer noch größeren Hungerkrise konfrontiert zu werden. Schon heute leidet eine Milliarde Menschen Hunger. Ein Mittel, das von den Regierungen gegen die Krise viel zu wenig eingesetzt werde, heißt es in der WFP-Studie, sind soziale Sicherungssysteme. Derzeit seien lediglich 20 Prozent der Weltbevölkerung durch Sozialtransfers abgesichert. Das Ifpri fordert solche Auffangsysteme für die Ärmsten schon lange. Sie seien bei der Bekämpfung des Hungers viel effektiver als eine protektionistische Agrarpolitik oder subventionierte Preise.

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