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Viele Paare wollen sich die Kinderbetreuung teilen. Nur wenige setzen es um. Foto: dpa

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Politik: Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Forsa-Studie: Deutsche Familienpolitik verfehlt Eltern und Kinder.

Berlin - Deutschlands Familienpolitik geht an den Bedürfnissen von Eltern und Kindern vorbei. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie, die von der Zeitschrift „Eltern“ in Auftrag gegeben und am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Für die Untersuchung wurden 1000 Eltern von Kindern unter 18 Jahren vom Sozialforschungsinstitut Forsa zur deutschen Familienpolitik befragt.

Die Antworten von Müttern und Vätern zeigen, dass zwischen der politischen Agenda und den Wünschen der Eltern offenbar Welten liegen. So befürworteten 81 Prozent der Befragten die steuerliche Entlastung von verheirateten Paaren durch das Ehegattensplitting – eine Familienleistung, über deren mögliche Abschaffung Deutschlands Politiker seit Monaten kontrovers diskutieren. Auch das gerade eingeführte Betreuungsgeld kam bei den Eltern nicht gut an: 49 Prozent hielten dieses Angebot für verzichtbar. Auf die Frage, ob die Bundesregierung konkrete familienpolitische Ziele verfolge, gaben 61 Prozent zu Protokoll, dies „eher nicht erkennen“ zu können.

„Die Antworten zeigen, dass es in Deutschland kein schlüssiges Gesamtkonzept für die Familienpolitik gibt“, sagte „Eltern“-Chefredakteurin Marie-Luise Lewicki. Als Grund für den „Flickenteppich“ von einzelnen Unterstützungleistungen für Väter, Mütter und Kinder nannte sie einen mangelnden bundesweiten Diskurs über die Ziele von Familienpolitik. „Eine offene Debatte darüber ist aber dringend notwendig“, forderte Lewicki.

Wenn es nach Deutschlands Eltern geht, sollte der Staat in seiner Familienpolitik künftig viel mehr Wert darauf legen, benachteiligte Familien zu unterstützen. Mehr als drei Viertel der Befragten (88 Prozent) wünschen sich zudem von der Familienpolitik Bedingungen, die dazu führen, dass in der Bundesrepublik wieder mehr Kinder geboren werden. Die Geburtenrate liegt in Deutschland derzeit bei 1,39 Kindern pro Frau. „Eltern wünschen sich eine Gesellschaft, in der Kinder normal sind“, sagt Lewicki.

Dass das im Moment nicht der Fall ist, zeigt der Fragenkomplex zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In der Forsa-Umfrage gab jeder Zweite an, Schwierigkeiten zu haben, beides unter einen Hut zu bringen. Offenbar sind es vor allem organisatorische Probleme, die Elternschaft in Kombination mit Berufstätigkeit mit sich bringt: Viele Paare würden die anfallenden familiären und beruflichen Verpflichtungen gerne anders untereinander aufteilen, als sie es in der Realität tatsächlich tun. So wünschten sich 38 Prozent der Befragten ein Modell der Arbeitsteilung, nach dem Mann und Frau beide ihre Arbeitszeit auf 30 Stunden in der Woche reduzieren und sich Haushalt und Kinderbetreuung paritätisch teilen. Tatsächlich umgesetzt haben dies nur sechs Prozent der Eltern.

Die große Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegt laut Forsa-Studie am Geld: 45 Prozent der Befragten gaben an, insgesamt über ein zu geringes Einkommen zu verfügen, wenn sie ihr Wunschmodell umsetzten. Weniger ausschlaggebend ist dagegen die Sorge, bei der Umsetzung bestimmter Arbeits- und Familienzeiten auf fehlendes Einverständnis beim Arbeitgeber zu stoßen.

Bei den meisten Familien (57 Prozent) herrscht in Sachen Arbeitsteilung ein Modell vor, bei dem der Mann in Vollzeit arbeitet, während die Frau in Teilzeit tätig ist und sich vorrangig um den Haushalt und die Kinder kümmert. Das umgekehrte Modell, bei dem die Frau hauptsächlich die Brötchen verdient und der Mann zu Hause bleibt, wünschte sich nur ein Prozent der Befragten, zwei setzten es auch um. Sarah Kramer

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