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Die FDP steckt in der Krise. Selbst der Koalitionspartner wird da vorsichtig und nimmt ein wenig Abstand.

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Koalition in der Krise: Die Angst vor dem Flohzirkus

Die CDU befürchtet, dass das Chaos bei den Liberalen am Ende auch ihr schaden könnte. Schon jetzt wirken sich die personellen Probleme in der FDP auf den politischen Alltag in der Koalition aus.

Von Robert Birnbaum

Mit Parteikrisen haben sie bei der CDU so ihre Erfahrungen, mit Koalitionskrisen auch; aber so etwas wie es im Moment dem kleinen Partner FDP geschieht, konstatiert ein christdemokratischer Abgeordneter: „Das hatten wir noch nicht.“ Offiziell sagt natürlich niemand etwas zur Krise der Liberalen und den immer neuen Drehungen des freidemokratischen Personalkarussells. Wenn gerade keine Kamera und kein Mikrofon in der Nähe ist, werden die Sätze dafür um so deutlicher. Dass mit dieser FDP noch einmal eine Regierung zustande kommt, für deren Fortsetzung man 2013 gutbürgerlichen Gewissens werben kann, daran zweifeln mittlerweile selbst alte Anhänger der schwarz-gelben Farbenkombination.

Die Hauptsorge gilt der Frage, ob die FDP beim Rostocker Parteitag in einer guten Woche einen Schlusspunkt hinter das Durcheinander setzen kann – oder ob ungelöste Personalien, absehbar miese Wahlergebnisse in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin und der Drang zur Profilierung die akute Krise zur Dauerkrise werden lassen. Noch nimmt die Union keinen messbaren Schaden am Niedergang des einstigen Wunschpartners; doch das könnte sich ändern. Schon jetzt berichten Abgeordnete, dass gerade auf Nebenschauplätzen der Gesetzgebung etliches nicht vorangehe, weil die alte FDP-Führung nicht mehr geschäftsfähig ist und die neue noch nicht – sofern die denn überhaupt schon feststeht. Das ungewisse Schicksal von Birgit Homburger als Fraktionschefin und Rainer Brüderle als Wirtschaftsminister verleiht allen Absprachen etwas Vorläufiges.

Das Leiden an diesem Zustand ist allerdings sehr unterschiedlich ausgeprägt. Dass etwa Brüderle um sein Amt kämpfen muss, statt es mit voller Kraft auszufüllen, trägt im Atomstreit zur Schwäche der Wirtschaftsvertreter der Union bei. Mit einer „lame duck“ als Bundesgenossen ist schlecht gegen einen Umweltminister zu Felde zu ziehen, der genau verstanden hat, dass für seine Atomwende die Zeit ungewöhnlich günstig ist. Norbert Röttgen gilt ohnehin als Schwarz- Grüner. Auch andere in der CDU empfinden wenig Mitleid. „Das Schwarz und Gelb besonders gut zusammenpassen, ist ein aus der Historie stammender Irrtum“, hat unlängst einer formuliert, der dem Bündnis von Anfang an skeptisch gegenüberstand. Zu diesen Teilen der Union gesellt sich aus taktischen Gründen Horst Seehofer; der CSU-Chef will den liberalen Partner in Bayern klein halten in der Hoffnung, die CSU zu alter Größe zurückführen zu können.

Andere, die anfangs guten Willens waren, zeigen sich zusehends ernüchtert. Erst ein Guido Westerwelle, der alle mit dem Ruf nach Steuersenkung nervte; jetzt eine Jungsbande, von der noch unklar ist, ob sie es überhaupt unfallfrei in den Sattel schafft. Über Philipp Rösler fallen durchweg sehr hoffnungsvolle Kommentare: Der künftige FDP-Chef gilt in der Union als gescheiter Kerl, mit dem sich vernünftig zusammenarbeiten lasse. Doch nagen leise Zweifel, ob er die Härte, Ausdauer und List besitzt, den Flohzirkus der eigenen Partei zu dressieren. Schon dass es Rösler nicht gelang, Brüderle aus dem Ministeramt zu drängen, hat allseits Unverständnis ausgelöst. Dass Westerwelle sich im FDP-Vorstand trickreich eine Überlebensgarantie im Außenamt zusichern ließ, hat das Kopfschütteln bestärkt. „So kann man sich doch als neuer Chef nicht vorführen lassen!“, sagt ein führender Unionspolitiker.

Ohnehin – Westerwelle! Kein Tag, an dem der Außenminister nicht irgendwo auf der Welt in eine Fernsehkamera redet. Die Dauerpräsenz lässt fast vergessen, dass da nicht die Nummer eins der FDP steht, sondern der Mann, der die Liberalen nach dem Triumph auf gradem Wege an den Abgrund geführt hat.

Mancher in der CDU glaubt, dass die von Rösler, Generalsekretär Christian Lindner und NRW-Chef Daniel Bahr proklamierte neue FDP überhaupt erst eine Chance hat, wenn sie dieses Gesicht der alten FDP in den Hintergrund drängt. Viel Zeit zur Profilierung bleibt Rösler bis 2013 ohnehin nicht. Dass sich die FDP in der Krise in CDU-Augen als Haufen von Egoisten präsentiert, denen so etwas wie das Gesamtinteresse ihrer Partei fremd zu sein schien, lässt Unionsleute zusätzlich an Röslers Chancen zweifeln.

Zu dieser Sicht trägt bei, dass die persönlichen Kontakte dünn geworden sind. Alte Seilschaften aus der Kohl-Ära sind nicht mehr aktiv. Während es unter Jüngeren längst wieder dezente schwarz-grüne Gesprächsrunden gibt, fehlen solche informellen Kreise mit den Liberalen. Es fehlt auch am Willen, sie zu bilden. Schwarz-Gelb mit Liberalen an der Fünf- Prozent-Grenze – das erinnert schon rein rechnerisch stark an ein Auslaufmodell.

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