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Übergangen? Der Verteidigungsminister erfuhr erst spät von einem Rechtsgutachten zum Kundus-Ausschuss, das das Kanzleramt in Auftrag gegeben hatte.

© dpa

Koalition: Kanzleramt düpiert Verteidigungsminister

In der Koalition kriselt es. Nun ist offenbar auch der Verteidigungsminister verärgert. Das Kanzleramt hat ein Rechtsgutachten zum Kundus-Untersuchungsausschuss in Auftrag gegeben - ohne den Minister darüber zu informieren.

Von Michael Schmidt

Sparpaket, Opel-Hilfe, Ärger um den Bundespräsidentschaftskandidaten - die Liste der Streitthemen in der schwarz-gelben Regierungskoalition ist lang. Und sie wird täglich länger. Jetzt steht der Bundesregierung neuer Ärger ins Haus, im Raum steht der Vorwurf des Vertrauensbruchs: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) fühlt sich offenbar bei der Erstellung eines Rechtsgutachtens zum Kundus-Untersuchungsausschuss vom Kanzleramt übergangen. Guttenbergs Sprecher Steffen Moritz jedenfalls bestätigte am Freitag einen Bericht der "Bild"-Zeitung, dem zufolge das Guttenberg-Ministerium erst nach Fertigstellung eines vom Kanzleramt in Auftrag gegebenen juristischen Gutachtens von diesem erfahren habe.

In der Auseinandersetzung geht es um die Frage, ob eine Gegenüberstellung Guttenbergs und der von ihm entlassenen Berater, Staatssekretär Peter Wichert und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, im Kundus-Ausschuss rechtmäßig wäre. Guttenberg hatte die Spitzenbeamten entlassen, weil er sich von ihnen in der Affäre um das Bombardement eines Tanklasters in Afghanistan mit bis zu 142 Toten unzureichend informiert fühlte. Im Ausschuss hatten die Betroffenen den Verlauf ihres Gespräches allerdings mit erheblichen Abweichungen wiedergegeben: Guttenberg sagte, es seien fünf Personen im Raum gewesen, Wichert und Schneiderhan hingegen beteuerten, es seien nur vier gewesen.

Der Minister selbst hat mehrfach zu erkennen gegeben, er sei zu einer Gegenüberstellung bereit, wenn sie vom Parlament beschlossen werden sollte. Die Koalition aber will das nicht - und berief sich bisher auf ein juristisches Gutachten, in dem es heißt, die Gegenüberstellung sei "zur Sachaufklärung nicht geboten", sondern aus "rein politischen Motiven" beantragt worden. Nun kommt ein Gutachten, dass das Kanzleramt von den Ministerien für Inneres und für Justiz hat erstellen lassen, zu einem anderen Ergebnis. Laut  "Bild"-Zeitung heißt es darin, dass eine Gegenüberstellung "wohl als zulässig" angesehen werden müsste. Damit würde es der rechtlichen Einschätzung aus der Unionsfraktion widersprechen, auf deren Grundlage die Koalitionsvertreter im Ausschuss eine Gegenüberstellung bisher abgelehnt haben.

Der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans widersprach nun am Freitag der Darstellung des Verteidigungsministeriums. Nach seiner Auffassung hat es eine mündliche Vereinbarung über das Gutachten gegeben. Nach Darstellung des Innenministeriums geht der Auftrag dazu auf eine Arbeitssitzung am 19. Mai zurück, an der das Verteidigungsministerium und das Kanzleramt beteiligt waren. Bei dem Treffen sei "in Aussicht gestellt" oder "diskutiert" worden, dass die Stellungnahme erstellt werden soll, sagte der Innenministeriumssprecher Stefan Paris. Dieser "dort mündlich getroffenen Vereinbarung" sei am 28. Mai eine schriftliche Bitte des Kanzleramts gefolgt. Die daraufhin erarbeitete Stellungnahme sei am 2. Juni "unter Beteiligung des BmVg (Bundesministerium für Verteidigung)" an das Kanzleramt übermittelt worden. Steegmans schloss sich dieser Darstellung an und sprach von einem üblichen Vorgang. Er entspreche der "allgemeinen, koordinierenden Funktion des Kanzleramts". Guttenbergs Sprecher Moritz betonte hingegen, das Verteidigungsministerium habe keine Kenntnis von dem Auftrag für das Gutachten gehabt. Erst nach Fertigstellung habe es davon erfahren. Über die Ergebnisse der Sitzung am 19. Mai gebe es "offensichtlich unterschiedliche Auffassungen". Bewerten wollte Moritz den Vorgang nicht.

SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte Tagesspiegel-Online, der Vorgang zeige, wie groß das Chaos in der Regierung tatsächlich sei, "wenn man sich nicht einmal darin einig ist, was wann besprochen wurde". Dass das Kanzleramt ein Gutachten in Auftrag gebe, sei "vernünftig und normal", und er begrüße, dass dieses Gutachten die Auffassung der Opposition bestätige. Wenn dieser juristischen Stellungnahme zum Trotz die Koalitionsfraktion im Untersuchungsausschuss ankündige, bei der nächsten Sitzung eine Gegenüberstellung dennoch abzulehnen, "also bewusst einen rechtswidrigen Beschluss" zu fassen, dann allerdings treibe sie die Oppositionsparteien förmlich vor Gericht, so Arnold. Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour sagte, die Regierung befinde sich in diesen Chaostagen inzwischen offenbar in einem Zustand, "in dem eine Krähe der anderen ein Auge aushackt". Dass Kanzleramt und Verteidigungsministerium "in einer so fundamentalen Frage wie der nach der Strategie zur Verteidigung des Ministers" nicht kommunizierten, werfe ein schlechtes Licht auf den Zustand der Koalition. Die Verteidigungslinie des Ministers - er spiele den "good guy" und sage ja zu einer Gegenüberstellung, und die Koalitionsfraktion spiele den "bad guy" und lehne das ab -, die sei nun zusammengebrochen: "Dieses Spiel ist ausgespielt", sagte Nouripour Tagesspiegel-Online.

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