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Auf Kurs. Der designierte Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Torsten Albig (links), bekam von SSW-Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk und dem Spitzenkandidaten von Bündnis 90/Die Grünen, Robert Habeck, zu Beginn der Koalitionsgesprächsrunde im Landeshaus in Kiel eine Kapitänsmütze als Geschenk zum 49. Geburtstag.

© Marcus Brandt/dpa

Koalition steht: Dänen-Ampel springt auf Grün

SPD, Grüne und SSW einigen sich in Schleswig-Holstein auf den Koalitionsvertrag. In der CDU wird erwogen, die Wahl anzufechten.

Schleswig-Holstein steht kurz vor politischer Geschichtsschreibung: Noch nie hat in Deutschland eine politische Interessenvertretung einer nationalen Minderheit Regierungsverantwortung übernommen. Nun schickt sich der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) als Partei der dänischen und friesischen Minderheit an, zusammen mit der SPD und den Grünen in Kiel eine Koalition zu bilden. Am Sonntag wurde der gemeinsame, rund 60 Seiten umfassende Koalitionsvertrag unter Dach und Fach gebracht.

Noch fehlt das Okay von drei Parteitagen am nächsten Samstag, ehe der Vertrag unterschriftsreif wird. Das Abnicken der Basis bei Sozialdemokraten, Grünen und beim SSW gilt als Formsache. Zweieinhalb Wochen Verhandlungen im Eiltempo liegen hinter den Beteiligten. Nun will das Koalitions-Trio von der Waterkant alle Skeptiker Lügen strafen, denn bundesweit hat bisher noch kein Dreierbündnis eine reguläre Legislaturperiode zu Ende regiert. Ralf Stegner, der als Landes- und Fraktionschef der SPD die Rolle des Verhandlungsleiters bei den Genossen innegehabt hatte, nannte das nun entworfene Schriftwerk ein „stabiles Fundament für ein fünfjähriges Regieren“.

Die Macht wird zwischen den drei Parteien verteilt, das geplante Kabinett um einen Staatssekretärsposten aufgestockt. Dafür möchte der angehende Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) die Bezüge bei allen Kabinettsmitgliedern um zehn Prozent absenken. Am 12. Juni will er sich im Landtag zum neuen Regierungsoberhaupt küren lassen. Er saß zwar bei allen entscheidenden Gesprächsrunden mit am Tisch, doch die Verhandlungsergebnisse hat er jeweils Stegner vortragen lassen.

Dieser bleibt der starke Mann der Sozialdemokraten im Norden. Für die kommende Koalition kündigte er an, dass er bei manchen nun formulierten Vorhaben in der sogenannten Schleswig-Holstein-Ampel zwar mit Streitigkeiten über das politische Tempo rechne. Allerdings würden alle Partner in dieselbe Richtung schauen. Dass die Schuldenbremse und damit die Verfassung eingehalten wird, dafür soll die Haushaltsexpertin der Grünen, Monika Heinold, sorgen. Sie wird Finanzministerin. Und der bisherige Grünen-Fraktionschef Robert Habeck übernimmt die Verantwortung im Ressort Energiewende, dessen Einrichtung er vor der Wahl selbst gefordert hatte. Dazu ist er auch verantwortlich für die Bereiche Umwelt und Landwirtschaft. Der SSW schickt die bisherige Fraktionsvorsitzende Anke Spoorendonk ins Kabinett. Die frühere Lehrerin hat demnach das Sagen für Justiz, Kultur und Europa. Dass der SSW mitregiere, sei bisher einmalig, sagte die 64-Jährige. Das erfülle sie aber auch mit Stolz. Genau das sei eben gelebte Demokratie, fügte sie hinzu.

Die SPD hat bisher nur bekanntgegeben, dass der Bereich Arbeit, der bisher im Arbeitsgebiet Soziales angesiedelt war, der Wirtschaft zugeschlagen wird. Die Wirtschaft wiederum verliert die Verantwortung für das Ressort Wissenschaft, das zur Bildung wechselt. Die bisherige Flensburger Uni-Präsidentin Waltraud Wende (parteilos) übernimmt hier das Ministeramt. Die Verteilung der drei weiteren Minister unter den Genossen will die SPD am Mittwoch bekanntgeben.

Die Koalitionäre in spe wollen durchaus über das Land hinausreichende Akzente setzen. So soll die Abschiebehaftanstalt in Rendsburg schließen, denn die Inhaftierten hätten „kein Kriminalitätsdelikt begangen“, wie Spoorendonk sagt. Auf Bundesebene werde man gegen die Vorratsdatenspeicherung stimmen, dafür aber Tempo 130 auf Autobahnen einfordern. Stegner sagte am Sonntag, man wolle dem Glücksspielstaatsvertrag der übrigen 15 Länder beitreten und das landesspezifische Glücksspielgesetz kippen, dazu aber prüfen, wie man Entschädigungszahlungen von frisch lizensierten Wettspielanbietern entgehen könne.

Unterdessen haben drei Geesthachter CDU-Ratsherren bei Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler Einspruch gegen das Ergebnis der Wahl vom 6. Mai eingelegt. Sie sehen das Privileg des SSW, von der Fünfprozenthürde befreit zu sein, als nicht mehr rechtmäßig an und streben notfalls den Gang zum Landesverfassungsgericht an. Die Begründung des Beschwerdetrios: Der SSW ist mit der Zweitstimme inzwischen landesweit wählbar und betreibe eine über die von ihr vertretene Minderheit hinaus zielende Landespolitik wie jede andere Partei auch. Der SSW erzielte 4,6 Prozent der Stimmen und ist im Landtag mit drei Abgeordneten vertreten.

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