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Koalition will Diäten auf mehr als 9000 Euro erhöhen: Eine unpopuläre Rechnung

2008 gaben Union und SPD klein bei. Nun starten sie einen neuen Versuch. Die große Koalition will die Bezüge im Bundestag erhöhen. Das gefällt nicht jedem.

Von Robert Birnbaum

Der letzte Versuch ist sechs Jahre her, und auch damals ging er von einer großen Koalition aus. Doch 2008 gaben Union und SPD nach ein paar sehr unerfreulichen Wochen den Versuch auf, die Abgeordneten-Besoldung grundlegend zu reformieren. Angesichts der aufgeputschten öffentlichen Meinung, stellte Unionsfraktionschef Volker Kauder resigniert fest, sei die Reform „offensichtlich nicht vermittelbar“. Kauder ist wieder dabei, wenn jetzt die nächste große Koalition erneut ihr Glück versucht. Diesmal soll es schnell gehen – in knapp zwei Wochen soll der Bundestag beschließen. Und die unpopuläre Diäten-Reform wird mit einem mutmaßlich sehr populären Thema zusammengebunden: Bestechung von Abgeordneten soll deutlicher mit Strafe bedroht werden.

Was soll mit den Diäten geschehen?

Die (steuerpflichtige) Diät, also die Grundentschädigung der Abgeordneten, liegt seit der letzten Erhöhung Anfang vergangenen Jahres bei 8252 Euro brutto im Monat. Sie soll jetzt in zwei Stufen zur Jahresmitte und zum 1. Januar 2015 um je 415 Euro steigen, also insgesamt auf 9082 Euro. Die Summe ist nicht zufällig gewählt. Sie entspricht der Besoldung von Bundesrichtern. Dieser Maßstab ist seit 1995 als Zielmarke im Abgeordnetengesetz festgeschrieben, wurde aber nie erreicht. Ab 2015 soll dann ein Quasi-Automatismus wirken: Die Diäten sollen genau so stark steigen – oder auch sinken – wie die Durchschnittseinkommen. Weil das Verfassungsgericht aber automatische Anpassungen verboten hat, müsste jeder neue Bundestag das wieder neu beschließen.

Gibt es noch an anderer Stelle mehr Geld für Abgeordnete?

Ja – aber nur für einige wenige. Vorsitzende von Bundestagsausschüssen sollen 15 Prozent ihrer Diät obendrauf erhalten als Ausgleich für Mehrbelastung. Dieser Funktionszuschlag muss ebenfalls versteuert werden und erhöht die Rente nicht. Vorgeschlagen hat ihn – wie auch die anderen Änderungen, die die Koalition jetzt plant – eine unabhängige Kommission unter dem früheren Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP). Die hatte ihren Bericht bereits im Frühjahr 2013 fertig, er wanderte aber angesichts der nahenden Bundestagswahl erst mal in die Schublade. Unverändert bleibt übrigens die Kostenpauschale, mit der die Parlamentarier laufende Auslagen und ihr Bundestagsbüro finanzieren. Der Entwurf verzichtet zudem auf komplette Analogie zur Richterbesoldung: Den Familienzuschlag, den Oberrichter beanspruchen können, soll es für Abgeordnete nicht geben. Und schließlich wird Fehlen im Parlament künftig um 100 Prozent teurer: Entschuldigte Abwesenheit kostet dann 100 Euro, unentschuldigtes bis zu 200 Euro.

Und was ist mit der Altersversorgung?

Die Klage, dass die Abgeordneten unterbezahlt, dafür aber deutlich überversorgt seien, begleitet den Bundestag seit Jahrzehnten. Faktisch ist daran schon viel verändert worden; die Neuregelung schränkt nominell die Altersversorgung weiter ein. Abgeordnete sollen nicht wie bisher mit frühestens 57 Jahren ihre Pension erhalten dürfen, sondern erst ab 63 und dann auch nur mit den gleichen Abschlägen, die normale Früh-Rentner ebenfalls hinnehmen müssen – also 0,3 Prozentpunkten je Monat. Das maximale Rentenniveau sinkt von 67,5 auf 65 Prozent der Diäten – erreichen können diese Grenze freilich sowieso nur Langzeit-Abgeordnete mit mindestens 26 Parlamentsjahren.

Für die meisten Abgeordneten ist nach zwei Wahlperioden Schluss

Normal ist das nicht – für 40 Prozent der Abgeordneten, hat die Unionsfraktion ausgerechnet, endet der politische Berufsabschnitt unter der Reichstagskuppel nach zwei Wahlperioden. Auch deshalb soll die Anrechnung von Rentenansprüchen, die ein Parlamentarier aus früherer Berufstätigkeit hat, nun etwas eingeschränkt werden: Bekamen aktive Abgeordnete bisher nur 20 Prozent solcher Renten ausgezahlt, dürfen Aktive wie Ehemalige künftig die Hälfte behalten.

Ist die Diätenerhöhung gerechtfertigt?

Das ist eine Frage der Perspektive. Eigentlich ist der Maßstab des Ober- Richtergehalts vernünftig – warum sollten Abgeordnete, die die Gesetze machen, weniger verdienen als Richter, die diese Gesetze bloß auslegen? Dass Politiker überbezahlt wären, kann man auch angesichts der enormen Arbeitsbelastung der meisten Abgeordneten ohnehin kaum behaupten – und so sehr Peer Steinbrück dafür gescholten wurde, als er das Kanzlergehalt für zu niedrig erklärte, so sehr gibt jeder im Regierungsviertel zu: Verglichen mit der Bezahlung in der Wirtschaft hatte der SPD-Kanzlerkandidat schlicht recht.

Laut sagen mag das aber kaum einer, weil solche Rechnungen unpopulär sind. Dazu kommt, dass Abgeordnete anders als Beamte Nebeneinkünfte haben dürfen. Außerdem ist die Diätenfrage politisch hoch symbolisch aufgeladen. Dass das Parlament sich selbst in den letzten Jahrzehnten insgesamt sechs Null-Runden auferlegt hatte, folgte dem Gefühl, dass in Zeiten kaum steigender, oft sogar sinkender Reallöhne jeder Eindruck unsolidarischer Selbstbedienung vermieden werden sollte.

Die Opposition sieht an diesem Punkt denn auch sofort eine Angriffsfläche. „Ich stelle mir vor, was der einfache, fleißige Arbeitnehmer, von dem die SPD immer so gerne redet, sich eigentlich vorstellt, wenn er sieht, dass die Abgeordneten eine solche Erhöhung bekommen“, ätzt die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Ich halte das für völlig unangemessen in so kurzer Zeit.“ Auch Linken-Fraktionschef Gregor Gysi lehnt den Plan ab: Fast zehn Prozent in einem Jahr sei eine „gigantische Steigerung“.

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