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Koalition: Zerbricht Schwarz-Gelb am Betreuungsgeldstreit?

Kinder, Kinder: Scheitert die Koalition am Betreuungsgeld – oder scheitert das Betreuungsgeld an der Koalition?

Von Antje Sirleschtov

Beim Betreuungsgeld wird es eng für die schwarz-gelbe Koalition: Am 1. Januar 2013 soll die geplante familienpolitische Leistung für Eltern, die keine staatliche geförderte Betreuung in einer Krippe oder bei einer Tagesmutter in Anspruch nehmen, eingeführt werden. Doch der nach zwei Aufschüben nun geplante Termin für die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag, der 18. Oktober, ist nach dem jüngsten Streit um dessen konkrete Ausgestaltung wohl auch nicht mehr zu halten.

Warum steht das Betreuungsgeld im Koalitionsvertrag, obwohl es außer der CSU keiner richtig will?

Der heutige Landeschef der FDP in Nordrhein-Westfalen, Christian Lindner, ein bekennender Gegner des Betreuungsgeldes, musste sich im vergangenen Jahr dafür rechtfertigen, dass er im Herbst 2009 der Familienleistung zugestimmt habe, obwohl er doch in der Verhandlungsgruppe Familienpolitik von CDU, CSU und FDP gesessen hatte. Lindner erinnerte zu seiner Entlastung daran, dass das Betreuungsgeld nicht durch die Fachpolitiker in den Koalitionsvertrag geschrieben wurde, sondern erst nach intensiver Befassung der Koalitionsspitzen Eingang fand.

Faktisch ist das Betreuungsgeld eine Familienleistung, die von den Parteitagen beider Unionsparteien weit vor dem Beginn der schwarz-gelben Regierungszeit beschlossen worden war. Mit dem Vorstoß der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) für den flächendeckenden Ausbau der Kitas in ganz Deutschland und der breiten gesellschaftlichen Debatte um moderne Familienpolitik war das Betreuungsgeld als Alternative für die staatlich subventionierte Kita so etwas wie ein Zugeständnis an die Verfechter klassischer bürgerlicher Familienpolitik.

In der FDP-Führung tröstete man sich seinerzeit damit, dass alle im Koalitionsvertrag festgeschriebenen staatlichen Zusatzausgaben unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt waren und man angesichts der angespannten Haushaltslage nicht zwingend damit rechnen konnte, dass es zu Ausgaben im Milliardenbereich für das Betreuungsgeld kommen wird.

Wenn es denn kommt, werden von 1. Januar 2013 an zunächst 100 Euro monatlich für Kinder im zweiten Lebensjahr gezahlt. Ab 1. Januar 2014 sind dann monatlich 150 Euro für Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr geplant. Den Bund wird die Leistung im Jahr 2013 rund 300 Millionen Euro kosten, für 2014 sind 1,11 Milliarden Euro veranschlagt. Für 2015 und 2016 sind jeweils 1,23 Milliarden Euro eingeplant. Unabhängig davon, ob sie berufstätig sind oder nicht, sollen alle Eltern, die ihr ein- oder zweijähriges Kind zu Hause betreuen, das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen dürfen. Es soll aber auf das Arbeitslosengeld II als Einkommen angerechnet werden.

Wird die Koalition am Betreuungsgeld zerbrechen?

Warum sperrt sich die FDP so hartnäckig?

Die Zusage von FDP-Chef Philipp Rösler zur Einführung des Betreuungsgeldes im vergangenen Jahr gilt in seiner Partei als Fehler des damals noch jungen Vorsitzenden. Obwohl die Parteiführung vorher beschlossen hatte, den Weg der Steuersenkungen zu verlassen und sich als treibende Kraft bei der Haushaltskonsolidierung zu profilieren, hatte Rösler beim Koalitionstreffen im November 2011 nachgegeben. Im Gegenzug hatten die Liberalen die Abmilderung der „Kalten Progression“ in der Einkommenssteuer durchsetzen können. Was jetzt einen Regierungsmann zu der Erinnerung verleitete, „Zahltag“ für das Betreuungsgeld sei „schon gewesen“.

Dass sich die FDP nun, nachdem sich CDU und CSU auf einen Kompromiss zum Betreuungsgeld geeinigt haben, einer Lösung verweigert, hat wohl eher mit dem Selbstbewusstsein der Spitzenliberalen als mit inhaltlichen Fragen zu tun. Wiewohl es auch die gibt. Schließlich haben FDP-Leute in den letzten Monaten zwar bei jeder Gelegenheit zerknirscht eingestanden, dass das milliardenschwere Betreuungsgeld keine „Herzensangelegenheit“ der FDP sei, man aber zu seiner einst gegebenen Zusage stehen würde, dem Gesetz zuzustimmen.

Nachdem nun CDU und CSU vereinbart haben, nicht nur 100/150 Euro bar auszuzahlen, sondern weitere 15 Euro draufzulegen, wenn die Empfänger den Gesamtbetrag in eine Riesterrentenversicherung einzahlen, muss die FDP einer weiteren Kostensteigerung zustimmen. Dagegen sträubt sie sich, genauso wie gegen die geplante Pflicht für alle Empfänger von Betreuungsgeld und Elterngeld zur Vorsorgeuntersuchung ihrer Kinder.

Im Vordergrund des aktuellen Streits steht jedoch der Ärger der FDP darüber, dass CDU und CSU ihren Kompromiss am vergangenen Freitag öffentlich so inszeniert haben, als sei die Zustimmung der FDP nur noch eine Formsache. Nachdem die Kanzlerin zum Wochenbeginn Rösler unterstellt hatte, er sei „gern Vizekanzler“ (unter ihr) und am Freitag im Bundesrat CDU-regierte Bundesländer mit Forderungen nach Mindestlohn und Frauenquote ein großkoalitionäres Gefühl verbreitet hatten, glaubten die Spitzen der FDP bei ihrem Präsidiumstreffen am Wochenende, sie müssten sich den Koalitionspartnern nun lautstark in Erinnerung rufen.

Zerbricht die Koalition am Betreuungsgeld?

Alle Seiten zeigten sich am Dienstag besorgt und kompromissbereit. In der FDP-Führung hieß es, man sei „nach wie vor vertragstreu“ und wolle „die Sache“ so zu Ende bringen, „dass niemand Schaden nimmt“. Das heißt, FDP-Chef Philipp Rösler will offenbar zum Ausgleich keine weiteren Zugeständnisse wie die Abschaffung der Praxisgebühr oder die Senkung des Solidaritätszuschlages. Beides hatte am Dienstagfrüh FDP-Vize Holger Zastrow im Deutschlandfunk noch einmal ins Gespräch gebracht, was umgehend aus der FDP als seine eigene Meinung bewertet wurde.

Wie auch sollte Rösler seinen Wählern erklären, dass er sich erst über Mehrkosten beim Betreuungsgeld beschwert und dann einer Lösung zustimmt, die für den Steuerzahler noch teurer wird. Man wolle „in der Sache verhandeln“ hieß es in Röslers Umfeld, was vermuten lässt, dass das Betreuungsgeld womöglich einige Monate später eingeführt wird als ursprünglich geplant oder die 15 Euro Anreizzahlung für die Riesterverrentung wegfallen könnten.

In der CSU allerdings ist man ziemlich sauer auf den Partner. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt nahm am Dienstag kein Blatt vor den Mund. „Das war kein Alleingang“ der Union, sagte sie, man habe mit der FDP-Fraktionsspitze, also Rainer Brüderle, ein gemeinsames Vorgehen vereinbart und ihn vom Kompromiss unterrichtet.

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