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Koalitionsgipfel: Praxisgebühr wird gestrichen, Betreuungsgeld kommt

Nach einer Marathonsitzung im Kanzleramt haben die Spitzen der schwarz-gelben Koalition zentrale Streitfragen ausgeräumt. Der Konflikt um Betreuungsgeld und Praxisgebühr konnte beigelegt werden. Die SPD spricht von einem "Kuhhandel".

Die Koalitionsparteien von Union und FDP haben in siebenstündigen Verhandlungen zentrale Streitpunkte ausgeräumt. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach am frühen Montagmorgen in Berlin von „guten Entscheidungen“. Beschlossen wurde unter anderem die Abschaffung der Praxisgebühr zum 1. Januar und die Einführung des Betreuungsgelds - allerdings mit einigen Monaten Verspätung zum August 2013.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, das Betreuungsgeld solle noch in dieser Woche in dritter Lesung im Bundestag beschlossen werden. Monatlich gezahlt werden sollen - wie bereits früher vereinbart - 100 Euro, vom 1. August 2014 an dann 150 Euro für zu Hause betreute Kleinkinder. Wird das Geld für die Altersvorsorge verwendet, gibt es einen Bonus von 15 Euro im Monat. Auf Wunsch der FDP wird Bildungssparen in gleicher Höhe belohnt.

Gröhe hob vor allem die Verabredung hervor, gegen Altersarmut vorzugehen. Vereinbart wurde die Einführung einer sogenannten Lebensleistungsrente, mit der die Bezüge von Erwerbsgeminderten, Menschen mit geringem Einkommen und von Frauen, die Kinder erzogen oder Pflege geleistet haben, verbessert werden sollen. Diese soll komplett aus Steuermitteln finanziert werden. Voraussetzung ist, dass private Vorsorge getroffen und 40 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wurde. Einkünfte aus privater Vorsorge sollen dabei geschützt sein. Die Kosten dafür bewegen sich nach Worten Gröhes in einem „sehr überschaubaren Volumen“.

Das Arbeitsministerium von Ursula von der Leyen (CDU) begrüßte die Pläne. Diese entsprächen weitgehend der Zuschussrente, ein Kabinettsbeschluss sei noch im November möglich. Nicht beschlossen wurde von der Koalitionsrunde die vor allem von CDU-Politikern geforderte konkrete Besserstellung von Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden.

Für die Abschaffung der seit 2004 geltenden Praxisgebühr in Höhe von zehn Euro nannte FDP-Generalsekretär Patrick Döring den 1. Januar 2013 als Termin. Die Koalition sieht die Bürger dadurch um zwei Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Die von der Union bis zuletzt geforderte Senkung der Krankenkassenbeiträge wird es den Beschlüssen zufolge nicht geben.

Trotz der beschlossenen Mehrausgaben verabredeten Union und FDP, im kommenden März die Pläne für einen Bundeshaushalt 2014 ohne strukturelles Defizit vorzulegen. Sonderausgaben wie für den Eurorettungsfonds ESM oder konjunkturell bedingte Ausgaben werden dabei herausgerechnet.

Um das Ziel zu erreichen, soll unter anderem bei den Zuschüssen an den Gesundheitsfonds gespart werden, zudem soll mehr Geld der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in den Haushalt zurückfließen. Zudem wurde der ursprünglich für Januar geplante Start des Betreuungsgeld auf August 2013 verschoben. Alles übrige müsse bei der Haushaltsaufstellung geleistet werden, sagte Döring.

SPD: Die Koalition mogelt sich durch

Vor allem auf Wunsch der CSU wurde zudem vereinbart, den Verkehrsetat für 2013 um 750 Millionen Euro aufzustocken. Die Koalitionsparteien befassten sich auch mit der Energiewende; vereinbart wurde, bis März 2013 Vorschläge zu erarbeiten, wie die aus dem Ruder gelaufene Förderung erneuerbarer Energien reformiert werden kann.

Die Beratungen über die in der Regierungskoalition lange umstrittenen Themen hatten am frühen Sonntagabend begonnen. Teilnehmer des Treffens waren die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) sowie die Fraktionsvorsitzenden, Generalsekretäre und Parlamentsgeschäftsführer.

Die SPD kritisierte die Beschlüsse des Gipfeltreffens massiv. Parteichef Sigmar Gabriel sagte im Gespräch mit NDR Info, es sei eine Katastrophe, dass die FDP dem Betreuungsgeld zugestimmt habe. Eltern bekämen Geld dafür, dass sie ihre Kinder nicht in den Kindergarten bringen. Als Verlierer sieht Gabriel die Rentner: „Es ist ein ziemlicher Zynismus zu sagen, wir erfinden eine Lebensleistungsrente für Menschen, die mehr als 30 oder 40 Jahre gearbeitet haben, und die liegt dann nur 10 oder 15 Euro oberhalb der Sozialhilfe“. Gabriel rügte: „Ich finde es unfassbar, dass die klugen Leute aus der CDU und die FDP, - da gibt es Menschen, die genau wissen, dass das Wahnsinn ist, - dem zugestimmt haben.“

Thomas Oppermann, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, sprach von einem „Kuhhandel“ zwischen Union und FDP. „Das ist keine große Leistung“, sagte Oppermann im Deutschlandfunk. Mit der Einigung auf die endgültige Einführung des Betreuungsgeldes finanziere die Koalition Wahlgeschenke zulasten der Steuerzahler. „Sie ist nicht solide, sie mogelt sich durch“, sagte Oppermann.

Auch er kritisierte das Betreuungsgeld: „Wir geben Geld aus für Kinder, die Zuhause blieben. Das ist nicht richtig“, sagte Oppermann. Eine derartige Politik entspreche dem Familienbild der 1950er-Jahre. Den Eltern bleibe keine echte Wahlmöglichkeit, da es nicht genügend Kita-Plätze in Deutschland gebe. Die SPD hatte schon angekündigt, gegen das Betreuungsgeld einen Gang vor das Verfassungsgericht zu prüfen. Dagegen lobte Oppermann die beschlossene Abschaffung der Praxisgebühr. „Das ist richtig, das haben wir auch gefordert“, sagte er. (afp/dapd)

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