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Ausnahmsweise mal einig: Philipp Rösler, Angela Merkel und Horst Seehofer.

© dpa

Koalitionsgipfel: Wie sieht die Einigung aus?

Ein bisschen Frieden: CDU, CSU und FDP erzielen einen mühsamen Kompromiss beim Koalitionsgipfel. Steuern werden gesenkt, der Pflegebeitrag steigt und das umstrittene Betreuungsgeld kommt.

Von Robert Birnbaum

Die Kanzlerin lobt das Gemeinschaftswerk in aller Bescheidenheit. „Das sind Beschlüsse mit Augenmaß“, versichert Angela Merkel. Fast acht Stunden hatte CDU-Chefin gemeinsam mit den Parteivorsitzenden von CSU und FDP, Horst Seehofer und Philipp Rösler, einen ganzen Haufen von Projekten zu einem Paket verschnürt, das die schwarz-gelbe Koalition als leicht verspätete Halbzeitbilanz vorzeigen will. Die Bescheidenheit ist doppelt angebracht. Zum Einen finden selbst in den Regierungsparteien inzwischen viele, dass dies keine Zeit fürs Steuersenken sei – Merkel begründet dieses Herzstück der Einigung denn auch damit, dass den Bürgern nach den „Einbußen“ durch Finanz- und Eurokrise jetzt auch mal wieder etwas zustehe.

Zweitens gibt es zwar in fast allen Punkten auf der Tagesordnung jetzt eine Einigung. Aber angesichts des miserablen Bilds von Dauerkrise und Dauerzank, das die einstige Wunschkoalition nun seit Monaten schon wieder abgibt, war – so formuliert es ein Koalitionär – „alles andere als eine Einigung ja gar nicht mehr denkbar“. In einer Woche gehen CDU und FDP in Parteitage. Ein Fiasko im Kanzleramt hätte vor allem für Rösler nur noch schwer kalkulierbare Folgen gehabt.

Merkel hat sich deshalb sofort nach den internationalen Krisengipfeln im französischen Cannes der heimischen Krise gewidmet. Die Kanzlerin, heißt es von informierter Seite, habe ab Freitag mit Seehofer und Rösler gesprochen; als sich die Parteichefs am Sonntag zum Mittagessen im Kanzleramt trafen, war manches schon vorgeklärt. Trotzdem galt es gerade in der Steuerfrage, festgefahrene Positionen aufzulockern. Seehofer und auch Rösler zielten eigentlich darauf ab, die schon längst vereinbarte Abmilderung der „kalten Progression“ in der Einkommensteuer über eine Änderung beim Solidarzuschlag zu realisieren. In beiden Parteien hat der „Soli“ keine Freunde. In der CDU war das anders: Fraktionschef Volker Kauder, Finanzminister Wolfgang Schäuble und auch Merkel hatten kein Interesse daran, ein Gerechtigkeitsproblem abzumildern, dafür aber ein anderes zu schaffen, das zwar in Wahrheit nur symbolisch ist, aber dafür um so wirksamer. Dass im Osten ein Eingriff in den Zuschlag als Anfang vom Ende der Solidarität gedeutet würde, hatte Kauder von seinen Ost-Abgeordneten schriftlich.

Die Lösung, auf die sich die Drei jetzt verständigten, liegt darum wieder auf der ursprünglichen Linie der Beschlüsse seit dem Koalitionsvertrag. Bezieher vor allem unterer und mittlerer Einkommen sollen in zwei Stufen bis 2014 um sechs Milliarden Euro entlastet werden. Dazu soll ab 2013 das steuerliche Existenzminimum angehoben werden; dann folgt eine Abmilderung der „kalten Progression“ im Umfang von 2,2 Milliarden Euro.

Diese Variante ist zwar – anders als das Soli-Modell – von der Zustimmung des Bundesrats abhängig. Doch zur Anhebung des Existenzminimums ist die Regierung ohnehin verpflichtet – wenn auch erst ein Jahr später –, so dass auch SPD-Länder sich mit einem Nein schwer tun dürften. Überdies steht das Angebot im Raum, dass der Bund die 2,2 Milliarden Euro Progressionsabbau alleine trägt. Schäuble zahlt dadurch gut vier der sechs Milliarden, die Länder nur zwei.

Als dieser „Dreh- und Angelpunkt“ der koalitionären Konflikte geklärt war, ging es, so ein Teilnehmer der Runde, mit allem anderen ziemlich schnell. FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr kann einen Kompromiss zur Reform der Pflegeversicherung vorzeigen. Rund eine Milliarde Euro mehr in der Pflegekasse soll künftig vor allem Demenzkranken zugute kommen. Dazu soll der Pflegebeitrag 2013 um 0,1 Prozentpunkte steigen. Dazu soll eine – allerdings freiwillige – private Zusatzvorsorge eingerichtet werden, die der Staat analog zur Riester-Rente steuerlich fördern will.

Seehofer kann sich und der CSU auf die Fahnen schreiben, dass das ewig umstrittene Betreuungsgeld verwirklicht werden soll. Die neue Geldleistung für Eltern, die ihre Kinder nicht in öffentliche Betreuungseinrichtungen geben, war im Koalitionsvertrag auf Drängen der CSU und konservativer CDU-Politiker vereinbart worden. Sie soll einen Ausgleich für den Ausbau von Krippen und Kitas und für das Elterngeld schaffen, das nur an berufstätige Mütter und Väter gezahlt wird, die für die Betreuung eines Kindes ihren Job unterbrechen. Wie die Steuererleichterung kommt aber auch diese Leistung in zwei Stufen: Von 2013 an sollen zunächst 100 Euro monatlich für Kinder im zweiten Lebensjahr fließen; erst von 2014 an sollen die im Koalitionsvertrag vereinbarten 150 Euro für das zweite und dritte Lebensjahr des Kindes fällig sein.

Ebenfalls verständigt hat man sich auf mehr Geld für Infrastruktur: Eine Milliarde Euro soll ab 2012 über den Etat von Verkehrs- und Bauminister Peter Ramsauer zusätzlich fließen. Erst mal nicht durchgesetzt hat sich Ramsauers Forderung nach einer PKW-Maut – im Februar, so Merkel, soll es ein Gespräch mit dem CSU-Mann über verschiedene Modelle zur Verkehrswege-Finanzierung geben.

Schließlich ist ein letztes Thema abgeräumt, bei dem die Koalition sich seit Monaten gegenseitig blockiert hatte: Um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen, sollen Hochqualifizierte aus Nicht-EU-Staaten einfacher an eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis kommen. Die Mindest-Gehaltsschwelle sinkt von 66 000 auf 48 000 Euro im Jahr.

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