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Basisdemokratischer Stil, amateurhafter Auftritt. Manches bei der Piratenpartei erinnert an die Frühphase der Grünen.

© dapd

Koalitionsplanspiele für die Bundestagswahl: Schnittmenge in Grün und Orange?

So manchem Grünen erscheint eine Koalition mit den Piraten im Bund verlockender als eine Ampelkoalition mit der FDP. Andere halten solche Gedankenspiele für "Kaffeesatzleserei". Doch selbst die Piraten wissen, warum die Koalitionsverhandlungen mit ihnen anstrengend werden würden.

Von
  • Sabine Beikler
  • Matthias Meisner

Die Piratenpartei sackt in den Umfragen ab, der Streit in der Führung bestimmt das politische Tagesgeschäft, und der schon sicher geglaubte Einzug 2013 in den Bundestag ist sehr fraglich geworden. Es gäbe manche Gründe für die Führung der Grünen, die Piraten liegen zu lassen, irgendwo links, rechts oder in der Mitte. Dennoch wollen Strategen der Öko-Partei eine von den Piraten mitgetragene rot-grüne Bundesregierung nicht ausschließen.

Ralf Fücks, Vorstand der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung, sprach das Thema an, als er sich für das Magazin „Böll“ mit der prominentesten Piratin traf: Marina Weisband, früher politische Geschäftsführerin, und – wenn sie sich denn selbst dafür entscheidet – ziemlich sicher Kandidatin bei der Bundestagswahl.

„Fast märchenhaft“ sei der Aufstieg der Piratenpartei gewesen, leitete Fücks das Gespräch ein, um am Schluss die Koalitionsfrage zu stellen. Weisband gab zu, dass die Piraten mögliche Koalitionsverhandlungen für andere Parteien „erst mal unattraktiv machen“ würden – weil sie Gespräche öffentlich führen wollten und gegen einen Fraktionszwang seien. Aber, so Weisband weiter: „Ich kann mir vorstellen, dass die Piratenpartei in ein paar Jahren tatsächlich Regierungsverantwortung trägt. Das würde ich mir sogar wünschen.“ Vergangene Woche stellte Fücks eine Studie im Auftrag seiner Stiftung zur Entwicklung der neuen Konkurrenz vor und berichtete von einer „deutlichen kulturellen Nähe und diversen politischen Schnittmengen“. Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke ergänzte: „Das Totenglöckchen sollte auf keinen Fall geläutet werden.“

Interessant wird die Frage für die Grünen vor allem dann, wenn es für eine eigenständige rot-grüne Mehrheit nach der Wahl 2013 nicht reicht. Rot-Rot-Grün gilt in diesem Fall, allerspätestens nach der Nominierung von Peer Steinbrück zum SPD-Kanzlerkandidaten, als undenkbar. Ein Bündnis mit den Piraten aber ließe sich erwägen. Es erscheint manchen verlockender als eine Ampelkoalition mit der FDP. Parteimanagerin Lemke hat ihre Überlegungen kürzlich schon mal mit Piraten-Chef Bernd Schlömer erörtert. Der sieht neben Trennendem etwa beim bedingungslosen Grundeinkommen – bei den Piraten Parteitagsforderung – „viel Überschneidungspotenzial“, wie er dem Tagesspiegel sagte. Zur Frage der Koalitionsfähigkeit seiner Partei sagte er: „Wir wollen ernsthafte Politik machen und keine Späße. Dazu gehört die grundsätzliche Bereitschaft, Verantwortung zu tragen und zu zeigen.“

"Zu viele Unwägbarkeiten"

Piraten und Grüne: Geht da jetzt was zusammen?
Piraten und Grüne: Geht da jetzt was zusammen?

© picture alliance / dpa

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth dagegen gibt sich offiziell zugeknöpft: „Entscheidend für Koalitionen ist, inwieweit die jeweiligen Inhalte zusammenpassen. Dafür müsste es aber bei den Piraten erst einmal eine verbindliche Festlegung auf Inhalte und Positionen in allen relevanten Politikfeldern geben, wie etwa auch der Außenpolitik. Da sehe ich im Moment nicht, wie die Piraten überhaupt koalitionsfähig sein sollen“, sagte sie dem Tagesspiegel.

In den Ländern, in denen demnächst gewählt wird, werden sich keine Referenzprojekte entwickeln lassen. Niedersachsens Grünen-Chefin Anja Piel betonte mit Blick auf die Wahl im Januar: „Bei einer jungen Partei, die gerade mal ihr Wahlprogramm verabschiedet hat, gibt es zu viele Unwägbarkeiten.“ Das betreffe auch die Frage, ob die Piraten einen neo- oder sozialliberalen Kurs einschlagen. „Solange das nicht geklärt ist, ist ein Bündnis auf Landes- und Bundesebene reine Kaffeesatzleserei.“ Schwierig wird wohl auch die inhaltliche Auseinandersetzung. Außer über Transparenz habe sie noch nicht viel von den Piraten über grüne Kernthemen wie Ökologie, Nachhaltigkeit oder Energiepolitik gehört, sagte Piel. In Bayern, wo im Herbst 2013 gewählt wird, ist auch kein Modell für neue Farbspiele in Sicht: Die SPD und die Freien Wähler haben eine Koalition mit den Piraten auf Landesebene bereits ausgeschlossen. „Ich bin zwar gegen eine Ausschließeritis. Aber hinter der Fassade der Piraten ist einfach nichts“, sagte Grünen-Landeschef Dieter Janecek.

In das erste Landesparlament waren die Piraten nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September 2011 eingezogen. Ihre Parlamentsarbeit bleibt nicht nur quantitativ, sondern auch inhaltlich weit hinter dem zurück, was Grüne und Linke leisten. Aber immer wieder gibt es gemeinsame Anträge der Oppositionsfraktionen.

Der Berliner Grünen-Chef Daniel Wesener vermisst bei den Piraten „inhaltliche Projekte und ein programmatisches Profil“. Wesener betonte das Ziel einer eigenständigen rot-grünen Mehrheit bei der Bundestagswahl. Er fügte hinzu: „Aber ausschließen sollte man nichts.“

Eine frühere Grünen-Bundesvorsitzende dagegen hat mehr Freude an den Gedankenspielen: Angelika Beer, inzwischen für die Piraten Abgeordnete im Kieler Landtag. „Machtpolitisch waren die Grünen schon immer interessiert“, meint sie – und findet das grundsätzlich gut. Es spreche „für hohen Realitätssinn“, wenn die Grünen die Schnittpunkte mit den Piraten herausarbeiten würden. „Das ist nur vernünftig.“

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