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Deutschland nimmt im EU-Raum überdurchschnittlich viele Flüchtlinge auf.

© dpa

Koalitionsrunde über Flüchtlinge in Berlin: Syrer und Libyer bevorzugt

Die Koalition einigt sich darauf, Flüchtlingen aus den Bürgerkriegsländern Priorität einzuräumen. Asylbewerber vom Balkan sollen es im Regelfall schwerer haben.

Von Antje Sirleschtov

Dass die Koalitionäre am Sonntagabend als erstes über das Thema „Flüchtlinge“ sprechen wollten, mag Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ein beruhigendes Signal gewesen sein. Unstrittige Themen räumt man im Koalitionskreis gern zu Beginn ab und de Maizière hat mit dem schadhaften Gewehr G36 und den BND-Ausspähvorwürfen ohnehin genug Ärger am Hals. In der heiklen Flüchtlingslage muss er vorerst nicht fürchten zum Streitobjekt von Union und SPD zu werden. Eines war klar, nachdem der Innenminister das Kanzleramt wieder verlassen hatte: Die große Koalition ist sich einig darin, dass sie sich später nicht vorwerfen lassen will, dem Menschenrechtsthema nicht gerecht geworden zu sein. Mehr Engagement also auch von deutscher Seite zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer und zur gleichen Zeit härteres Vorgehen gegen Menschenschleuser und Schlepperbanden. Geprüft werden soll auch eine Ausweitung des Einsatzgebiets der europäischen Mission „Triton“ im Mittelmeer. Gleichzeitig sollen Italien und Griechenland, die bei der Aufnahme der Flüchtlinge besonders gefordert sind, mehr Unterstützung auch aus Deutschland bekommen.

Die Koalition fordert, dass sich mehr EU-Länder an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen

Einigkeit der Koalitionäre auch dabei: Der von de Maizière seit Monaten in Brüssel vorgetragenen Forderung, in der EU müssten sich mehr Länder an der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen als bisher beteiligen, will die Bundesregierung nun mehr Nachdruck verleihen. Einwohnerzahl und Wohlstand sollen Kriterien sein, mit denen ein Verteilungsschlüssel festgelegt werden soll. Deutschland sei eines der Länder, die bisher weit mehr leiste als andere, lautet die Begründung aus Berlin. In der „Sprachregelung“, die die Koalitionäre billigten, wird dabei den Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien, aber auch den über Libyen flüchtenden Menschen „Priorität“ bei der Aufnahme eingeräumt. Bei Asylsuchenden aus Balkanstaaten bestehe hingegen eine „andere Situation“. In der Union wird diese Unterscheidung mit Befriedigung registriert; damit werde deutlich, dass man bei den Asylbewerbern vom Balkan im Regelfall nicht davon ausgehen könne, dass ihr Antrag Aussicht auf Erfolg habe. Eine Erweiterung der Gesetze zur Festlegung von sicheren Herkunftsländern soll es allerdings nicht geben. Tatsächlich besteht in der Union, vor allem auch in der CSU ein starkes Interesse daran, dass der für den 8. Mai angesetzte Flüchtlingsgipfel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ein Erfolg wird. „Wir müssen den Menschen den Eindruck vermitteln, dass die Politik in dieser Frage an einem Strang zieht und das Problem im Griff behält“, sagt ein Unionsmann. Sonst bestehe die Gefahr, dass rechte Parteien sich die Unsicherheiten von Bürgern zunutze machten.

Ob das Treffen mit den Länderchefs am Ende wirklich erfolgreich wird, hängt allerdings nicht ganz unwesentlich davon ab, inwieweit sich Bund und Länder über die Lastenverteilung einigen können. Dabei geht es in erster Linie um die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge. Während der Bund nach wie vor von einer wesentlich geringeren Zahl in diesem Jahr ausgeht, erwarten Länder und Kommunen eine halbe Million Asylanträge und fordern die Übernahme der Kosten durch den Bund. Union und SPD wollen bis kommende Woche die Prognosen noch einmal überprüfen und dann womöglich über einen neuen Verteilungsschlüssel sprechen. Wobei klar zu sein scheint, dass sich der Bund von den Ländern die Kostenübernahme abhandeln lassen will. Zur Sprache kommen soll am 8. Mai auch, das wurde am Sonntagabend ebenfalls deutlich, dass die Bundesländer auch bei der oft vorgetragenen Forderung nach einer Beschleunigung der Asylverfahren und Abschiebungen ihre Hausaufgaben zu machen hätten. Verwiesen wird dabei von Bundesseite gern darauf, dass das Bundesamt für Migration personell aufgestockt wurde und wohl noch noch weiter wird, was die Antragsbearbeitung beschleunigt, dass aber auch die Bundesländer einen Beitrag zu leisten hätten; etwa bei der Ausstattung und Arbeitsweise ihrer Ausländerbehörden und auch bei den Landesverwaltungsgerichten, in denen Klagen gegen abgelehnte Bescheide oftmals noch immer zu lange dauerten.

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