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Koalitionsstreit: Regierung in der Ukraine wieder am Ende

Im ukrainischen Parlament brodelt es erneut. Die Prowestliche Regierungskoalition bricht nach Machtkämpfen auseinander – Auslöser war der Georgien-Konflikt. Premierministerin Timoschenko und Präsident Juschtschenko beschuldigen sich gegenseitig, die Regierungskrise verursacht zu haben.

Die Ukraine taumelt in eine neue schwere Krise. Nach nur einem Jahr ist die prowestliche Regierungskoalition auseinandergebrochen. Im Parlament habe sich „de facto eine neue parlamentarische Koalition gebildet“, sagte der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko am Mittwoch nach Angaben der Agentur Interfax. Zuvor hatte Premierministerin Julia Timoschenko am Dienstag zusammen mit der prorussischen Opposition dafür gestimmt, die Macht des ukrainischen Staatschefs drastisch zu beschneiden. Nach Angaben von Politikern aus den Reihen der Präsidenten-Partei „Unsere Ukraine“ stimmten auf einer eilig einberufenen Krisensitzung danach 39 der 72 Abgeordneten für ein Ende der Koalition. Juschtschenko erklärte am Mittwoch, er schließe vorgezogene Wahlen nicht mehr aus. Timoschenko und Juschtschenko beschuldigten sich gegenseitig, die „demokratische Koalition“ zerstört zu haben.

In Rage brachte Viktor Juschtschenko, dass sich das Parlament auf seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause nicht auf eine einheitliche Haltung in Sachen Georgien-Konflikt einigen konnte. Die Situation eskalierte, als begonnen wurde, über die Machtfülle des Präsidenten zu streiten. Schließlich wurde über Gesetzesvorlagen abgestimmt, die den Einfluss des Präsidenten einschränken und eine Amtsenthebung des Staatsoberhauptes erleichtern sollen. Gleichzeitig wurde die Position von Premierministerin Timoschenko verbessert. So darf die Regierungschefin künftig internationale Verträge unterzeichnen, ohne sich auf Präsidialakte zu stützen. Der Präsident verliert auch das Recht, an Regierungssitzungen teilzunehmen und Gesetzesinitiativen der Regierung selbst anzuschieben.

Dies ist der vorläufige Höhepunkt in einem seit Monaten andauernden Streit zwischen Präsident und Premierministerin. Zuletzt hatte sich Viktor Juschtschenko öffentlich über das Schweigen der Regierungschefin während des Georgien-Konfliktes aufgeregt. Er hatte sich mit dem georgischen Staatschef Michail Saakaschwili solidarisiert und Moskau eine aggressive Politik vorgeworfen, während sich Timoschenko mit Kritik am Kreml auffallend zurückhielt. Der Präsident hatte ihr daraufhin vorgeworfen, offensichtlich mit Moskau gemeinsame Sache zu machen und eine Landesverräterin zu sein.

Angesichts der schweren Krise in der Regierung meldete sich am gestrigen Mittwoch Viktor Janukowitsch zu Wort, Chef der oppositionellen Partei der Regionen. Er schloss eine Koalition mit dem Block von Julia Timoschenko nicht aus. Beide Parteien verfügen mit 331 Stimmen über die klare Mehrheit im Parlament. Eine Koalition zwischen Timoschenko und Janukowitsch würde allerdings das vorläufige Ende der Nato-Ambitionen der Ukraine bedeuten. Die pro-russische Partei der Regionen steht einer Aufnahme des Landes in das westliche Verteidigungsbündnis ablehnend gegenüber.

Angesichts des Angebots von Janukowitsch an Timoschenko erklärte der Leiter des Sekretariats des Präsidenten, Viktor Baloga, dass die beiden Politiker in der Ukraine einen Staatsstreich vorbereiten würden – auf Anweisung des Kremls.

Knut Krohn[Warschau]

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