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Koalitionsverhandlung: Koalitionäre kämpfen kompromisslos um ihr Gesundheitssystem

Heilloser Streit über die Finanzierung der Krankenkassen: Die FDP will Einheitsprämien, die CSU nicht. Die FDP will den Gesundheitsfonds abschaffen, die CDU nicht.

Union und FDP gehen mit unterschiedlichen Meinungen zur Finanzierung des Gesundheitssystems in die große Koalitionsrunde. Nach mehr als elfstündigen Verhandlungen beendete die Arbeitsgruppe Gesundheit am Freitagmorgen in Berlin ihre Gespräche, ohne dass sich CDU und CSU sowie Liberale in Kernfragen der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung geeinigt haben.

Während die FDP den Einstieg in ein System mit Einheitsprämien fordert, lehnt die CSU dies ab. "Wir wollen keine Kopfpauschale", sagte Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder von der CSU.

Die FDP gab den Christsozialen die Schuld am Scheitern in der Arbeitsgruppe. "Es war die offensichtliche Strategie der CSU, es scheitern zu lassen", sagte FDP-Experte Daniel Bahr. "Wir wollen den Einstieg in ein Prämiensystem mit solidarischem Ausgleich - das wollte die CSU nicht." Bahr zeigte sich äußerst enttäuscht vom anhaltenden Streit.

Die gescheiterte Einigung auf eine neue Finanzstruktur ist auf die unterschiedlichen Standpunkte zurückzuführen. Diese zeigten sich nicht nur zwischen Union und FDP sondern auch zwischen CDU und CSU. Die FDP will den Gesundheitsfonds abschaffen und den einzelnen Kassen wieder die Hoheit über die Beiträge geben. Die CDU hatte vorgeschlagen, die Obergrenze von einem Prozent des Einkommens für die allein von den Versicherten zu zahlenden Zusatzbeiträge zu kassieren. Von der CDU kam zudem der Vorschlag, den Zusatzbeitrag durch eine pauschale Prämie zu ersetzen. Die CSU lehnt das ab und war mit einem eigenen Modell in die Verhandlungen gegangen.

Schwarz-Gelb steht vor einem gewaltigen finanziellen Problem – die Gesundheitsverhandlungen werden von der gewaltigen Staatsverschuldung und neuen Finanzlöchern bei den Krankenversicherungen überschattet. Auf die Krankenkassen kommt 2010 ein Defizit von rund 7,5 Milliarden Euro zu. Die Ausgaben für Arzneimittel, Kliniken und Ärzte steigen teils kräftig; auf der Einnahmeseite fehlen rund 4,6 Milliarden Euro.

Bislang ist geplant, dass der Zufluss aus der Steuerkasse nächstes Jahr um 1,5 auf 11,5 Milliarden Euro steigt. Steigende Mittel könnte es nach geltendem Recht auch durch eine Erhöhung des 14,9-Prozent-Einheitssatzes für Arbeitgeber und Arbeitnehmer geben sowie durch Zusatzbeiträge allein zulasten der Kassen-Mitglieder.

Der Streit zwischen CSU, CDU und FDP in der Arbeitsgruppe zwingt nun die große Koalitionsverhandlung, an der die Vorsitzenden der drei Parteien und weitere Spitzenpolitiker teilnehmen, zu einem Kompromiss. Am Freitagnachmittag steht in Berlin das Thema Gesundheit erneut auf der Tagesordnung. Viel Zeit bleibt den künftigen Koalitionären nicht mehr – bis Sonntag sollen laut offiziellem Fahrplan alle Streitpunkte ausgeräumt sein.

Die CDU-Expertin Annette Widmann-Mauz sagte: "Wenn man das gesamte Paket ansieht, geht es in die richtige Richtung." Die Parteiführungen hätten nun eine gute Grundlage zur Entscheidung. Bahr sagte, im Grundsatz sei sich die Runde von Union und FDP einig geworden, den Krankenkassen mehr Hoheit über ihre Beiträge zu geben sowie den Finanzausgleich zwischen den Kassen zu ändern.

Bei den Finanzen erzielte die Runde außer bei den grundsätzlichen Fragen auch kein Einvernehmen über das Begleichen des Defizits der Krankenkassen von 7,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Die Krankenversicherten sollen nach dem Willen von Union und FDP allerdings nicht allein für die Deckung des Milliardendefizits aufkommen. Vielmehr sei eine Kombination von Maßnahmen nötig, sagte die Unions-Verhandlungsführerin Ursula von der Leyen. Höhere Steuerzuschüsse schloss von der Leyen nicht aus.

"Wenn in der Krise Einnahmen wegfallen, einfach weil Arbeitsplätze verloren gehen, dann hat das nichts mit guter oder schlechter Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu tun", sagte sie. "Deshalb wollen wir, dass dieser Teil nicht von den Versicherten allein getragen werden muss." Die Krisenfolgen in den verschiedenen Bereichen müsse das Land gemeinsam bewältigen. Zugleich sollen die Unternehmen nicht durch höhere Lohnzusatzkosten belastet werden.

Von der Leyen und FDP-Verhandlungsführer Philipp Rösler sprachen sich für eine dauerhafte, stärkere Entkopplung der Gesundheits- und Arbeitskosten aus. "Das Gesundheitswesen, das so eine spannende, zukunftsträchtige Branche ist, muss mehr entkoppelt werden von den reinen Arbeitskosten, denn sonst drosseln die Arbeitskosten immer wieder innovative Prozesse im Gesundheitswesen", sagte von der Leyen.

Zudem soll es nach Angaben von Teilnehmern ein Moratorium bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte geben, um Kosten zu sparen. Die Ausgaben für das Projekt betragen im nächsten Jahr bis zu einer Milliarde Euro. Weitere Einigungen der Gesundheitsexperten betreffen die Krankenhäuser, die Palliativmedizin sowie den Arzneimarkt.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters

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