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Koalitionsverhandlungen: Darüber wird gefeilscht

Union und SPD haben sich in den ersten Punkten geeinigt, doch wichtige Themen sind noch umstritten. Eine Übersicht.

In dieser Woche trifft sich die große Runde der Koalitionsverhandler gleich zweimal. Am Montag beschäftigt sie sich im Willy-Brandt-Haus mit dem Umbau der Ökostrom-Förderung und dem CSU-Wunsch nach einer Pkw-Maut, am Mittwoch sind im Konrad-Adenauer- Haus die Themen Inneres, Euro und Banken sowie Bildung und Wissenschaft dran. Die Arbeitsgruppen packen in den nächsten Tagen auch die komplizierten Themen an. Ein Zwischenstand.

Pkw-Maut:

Mit seiner Grundbedingung ist CSU-Chef Horst Seehofer durchaus vorangekommen. Nachdem die EU-Kommission eine Autobahn-Maut für alle in Kombination mit einer niedrigeren Kfz-Steuer für inländische Fahrer als denkbar erklärt hat, liegt der Ball nun bei Peter Ramsauer. Von der unwilligen SPD wurde der CSU-Verkehrsminister zum Wochenende mit einem Riesenfragenkatalog drangsaliert, und auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will endlich ein belastbares Konzept sehen. Das Problem: Viele Autofahrer sind bereits ganz oder teilweise von der Steuer befreit, sie erhielten ihre Vignette nicht voll kompensiert. Belohnt würden Besitzer großer und umweltschädlicher Autos, die bisher hohe Steuern zahlen müssen.

Doppelte Staatsbürgerschaft:

Im Zentrum des Doppelpass-Streits steht der sogenannte Optionszwang. Der besagt, dass in Deutschland geborene Kinder von Einwanderern zwar neben der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern auch die deutsche bekommen, allerdings müssen sie sich zwischen ihrem 18. und 23. Lebensjahr für eine entscheiden. Die SPD will dies abschaffen, die Union maximal eine Verlängerung der Frist bis zum 30. Lebensjahr. Im Gespräch war auch eine „ruhende Staatsbürgerschaft“, wonach die andere Staatsangehörigkeit nicht automatisch verliert, wer sich für die deutsche entscheidet. Das aber setzt völkerrechtliche Verträge mit den Herkunftsländern voraus. Strittig ist auch die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften. Der Kompromiss könnte vorerst in einer unverbindlichen Absichtserklärung bestehen. Tenor: Bestehende Diskriminierungen in allen gesellschaftlichen Bereichen sollen beendet werden.

Mindestlohn:

Der bundesweite gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro, den die SPD durchsetzen will, bleibt wohl bis zum Ende der Verhandlungen strittig. Einig sind sich Union und SPD nur darüber, dass sie eine Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften wollen, die über die Höhe eines Mindestlohnes bestimmt. Doch dass der Gesetzgeber die Marke von 8,50 Euro pro Stunde vorgibt, dagegen wehrt sich die Union. Ob die Höhe womöglich erst stufenweise im Laufe der Wahlperiode erreicht wird, ob es Ausnahmen geben wird oder Unterschiede zwischen Ost und West, das muss in den nächsten Wochen ausverhandelt werden.

Rente:

Das Problem bei den Rentenvorhaben von SPD und Union ist: Sie kosten enorm viel Geld. Ansonsten wären die Chef-Unterhändlerinnen Ursula von der Leyen (CDU) und Andrea Nahles (SPD) schon weiter. Beide sind sich einig, dass man dem drohenden Anstieg von Altersarmut mit einer Aufstockung der Rentenansprüche von Geringverdienern begegnen muss. Hinzu kommen Sonderwünsche. Zu den zentralen Wahlversprechen der Union gehört es, die Renten von Müttern aufzuwerten, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Die SPD wiederum will, dass Arbeitnehmer nach 45 Beitragsjahren schon mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Beides zusammen würde einen zweistelligen Milliardenbetrag verschlingen. Derzeit sind die Rentenkassen zwar prall gefüllt, doch das bleibt nicht so. Alles dauerhaft nur aus Beitragsgeldern zu finanzieren, funktioniert nicht. Die SPD fordert daher, zumindest für die Mütterrenten in den Steuertopf zu greifen. Doch die Union sperrt sich. Sie hat sich festgelegt, keine Steuern zu erhöhen.

Lesen Sie hier, wie es um Pflege, Gesundheit und Bildung steht.

Pflege:

Dass Pflegebedürftigkeit neu definiert werden muss, ist Konsens zwischen Union und SPD. Die Pflege soll weniger verrichtungsbezogen werden, auch Demenzkranke sollen voll anspruchsberechtigt werden, es braucht deutlich mehr Pflegekräfte, und die SPD will auch eine bezahlte Pflegezeit für berufstätigeAngehörige. Doch was darf das alles kosten? 0,5 Beitragssatzpunkte, wie die SPD fordert? Und muss nicht auch eine Demografiereserve angelegt werden? Die Arbeitsgruppe hat das schwierige Thema bislang vor sich hergeschoben. Weil es dabei ums Geld geht, werden darüber aber ohnehin nicht Parteiexperten, sondern die Koalitionsspitzen entscheiden.

Gesundheit:

Den großen Themen haben sich die Verhandler auch hier noch nicht gewidmet. Entschieden wurde, dass die Pharmafirmen den Krankenkassen für neue Arznei weiter Rabatt gewähren müssen und die Preise nicht erhöhen dürfen. Für die Kommunen gibt es 500 Millionen Euro zur Umwandlung defizitärer Kliniken in Versorgungszentren oder Pflegeheime. Und gesetzlich Versicherte sollen nicht mehr länger als vier Wochen auf Facharzttermine warten müssen. Über das große SPD-Anliegen Bürgerversicherung dagegen lässt die Union nicht mit sich reden, sie will das Nebeneinander von gesetzlich und privat Versicherten erhalten. Mehr Wettbewerb ins Privatsystem zu bringen, wie die Union möchte, ist wiederum verfassungsrechtlich schwierig, weil dann Altersrückstellungen mitgenommen werden müssten. Und dass es in der gesetzlichen Versicherung ein Zurück zu echter Beitragsparität geben wird, ist auch kaum zu erwarten. Dann noch eher eine Beteiligung der Arbeitgeber an künftigen Beitragssteigerungen. Die SPD fordert die Abschaffung der pauschalen Zusatzbeiträge, mit denen spätestens 2016 auf breiter Front zu rechnen ist und die allein Arbeitnehmer belasten. Zudem drängt sie darauf, den Kassen wieder ihre Beitragsautonomie zurückzugeben.

Bildung:

Geeinigt haben sich Union und SPD darauf, dass Studenten „spürbar mehr Bafög“ erhalten sollen. Erhöht werden sollen Bedarfssätze und Freibeträge, und auch fürs Teilzeitstudium soll es nun Bafög geben. Dagegen widersprach die SPD Meldungen, wonach man sich nahezu einig sei, den Bund dauerhaft an der Grundfinanzierung der Hochschulen zu beteiligen. Die SPD verhandle nur eine große Grundgesetzänderung, nach der auch „ein substanzielles Bundesprogramm für die Ganztagsschulen“ möglich sei, sagte SPD-Experte Ernst Dieter Rossmann. Seine Partei berufe sich dabei auf Aussagen von Merkel und Unionsfraktionschef Volker Kauder, dass das Kooperationsverbot für die Bildung unsinnig sei. Das müsse für Hochschulen und Schulen gleichermaßen gelten, sagte Rossmann.

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