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Kanzlerin Merkel und Unionsfraktionschef Kauder wollen den Eindruck der Basis entkräften, die Union verkaufe sich in den Koalitionsgesprächen unter Wert.

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Koalitionsverhandlungen: Geliefert wird erst zum Schluss

Die Union empört sich über den forschen Kurs von SPD-Chef Gabriel und will den Eindruck der Basis entkräften, sie verkaufe sich in den Koalitionsgesprächen unter Wert– und muss doch flexibel bleiben.

Von Robert Birnbaum

Peter Altmaier ist ein verbindlicher Mensch, darum formuliert der Umweltminister sein Befremden freundlich: „Liebe Genossinnen und Genossen, die CDU ist kein Lieferservice.“ Volker Kauder neigt schon eher mal zu politischen Raufhändeln, außerdem ist er der Vorsitzende einer derzeit etwas mürrischen Unionsfraktion. „Wir müssen überhaupt nichts liefern“, raunzt Kauder am Montag in der Fraktionssitzung. Der Union ist der SPD-Parteitag auf den Magen geschlagen. „Jetzt müsst ihr liefern, liebe Leute von der Union“, hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel zum Schluss des schwierigen Leipziger Delegiertentreffens halb flehend, halb fordernd ausgerufen. Doch die künftigen Koalitionspartner reagieren unfroh auf die Bestellung.

Wer setzt sich bei den Koalitionsverhandlungen durch?

Das hat nicht zuletzt taktisch-psychologische Gründe. So wie Gabriel den Unmut seiner Funktionäre über das ungeliebte Bündnis mit Angela Merkel mit einer aufputschenden Rote-Linien-Rede aufzufangen versucht hat, gehört es zum Spiel, dass die Unionsspitze sich gegen derlei Ultimaten wehrt. Seit Beginn der Koalitionsverhandlungen hat sich in der eigenen Basis ohnehin schon der Eindruck festgesetzt, dass da in Berlin gerade die Wahlverlierer den Wahlsiegern ihr Programm aufnötigen und die eigene Führung allzu wenig aus dem Umstand macht, dass CDU und CSU immerhin fast die absolute Mehrheit der Wählerstimmen erhalten haben.

Kauder hat am Wochenende versucht, dieser Missstimmung gegenzusteuern mit dem Hinweis, dass die CDU ihre zentralen Forderungen – „keine Steuererhöhungen“ etwa oder „kein Kurswechsel in der Europapolitik“ – schon durchgesetzt habe. Aber Parteimitglieder sind wie Fußballfans: Sie wollen von ihrer Mannschaft Tore sehen, auch wenn deren Einzug ins Finale schon feststeht.

Union und SPD markieren jeweils den Stärkeren

Horst Seehofer ist mehr so ein pflichtgemäßer Fußballfan, dafür versteht er etwas von Parteimitgliedern. „Wir können nicht das Wahlergebnis auf den Kopf stellen“, stellt also der CSU-Chef am Morgen in München auf dem Weg zu einer CSU-Vorstandssitzung fest. „Es wird keinen sozialdemokratischen Koalitionsvertrag geben“, ergänzt sein General Alexander Dobrindt – dessen Aufstieg zum Bundesminister jetzt quasi amtlich ist: Es gebe „Zwangsläufigkeiten“, merkte Seehofer zu dieser Personalie an. Ansonsten, was die SPD angehe: „Starke Worte sind noch längst kein starkes Ergebnis.“ Aber der CSU-Chef fügt gleich versöhnlich an: „Das weiß der Herr Gabriel auch.“

Das stimmt. Der SPD-Chef hat in den internen Beratungen bisher stets erkennen lassen – und es manchmal auch ausdrücklich gesagt –, dass er die vom Wähler bestimmten Größenverhältnisse achte. Das war allerdings vor dem Parteitag, auf dem die SPD-Führung von der eigenen Funktionärsbasis unerwartet scharfen Gegenwind bekommen hatte. In der Union sehen manche deshalb mit gewisser Spannung diesem Dienstag entgegen. Dann trifft sich die große Runde der Koalitionäre erneut im Willy- Brandt-Haus, und da, sagt ein Teilnehmer, werde man ja sehen, ob sich die Atmosphäre verändert habe.

Mitgliederentscheid der SPD beeinflusst auch CDU und CSU

Tatsächlich hat das Murren der SPD die Verhandlungen für die Union ebenfalls nicht leichter gemacht. Zwar stellt Dobrindt fest: „Es ist nicht unsere Aufgabe, den Mitgliederentscheid in der SPD zu gewinnen.“ Doch der starke Spruch verhüllt nur notdürftig, dass dieses Basisvotum faktisch auch den Verhandlungsraum der Union einengt – und ganz besonders den der CSU. Seehofer will die große Koalition, weil er die Alternative Schwarz-Grün nicht möchte. Auffällig lau fällt denn auch der Widerspruch der CSU-Spitze gegen Gabriels neueste Bedingung für das Bündnis aus: „Eine allgemeine doppelte Staatsbürgerschaft ist auf jeden Fall keine Lösung“, sagt Dobrindt. Ein klares Nein klingt anders.

Bei der CDU kommt die Entschlossenheit ähnlich verbindlich rüber. „Es wird keine faulen Kompromisse geben“, versichert CDU-General Hermann Gröhe, „nur um dort vermeintlich Arbeit für einen Mitgliederentscheid leichter zu machen.“ Aber es wird auch keine Gegenveranstaltungen zu diesem SPD-Basisvotum geben, wie es CDU-Landesverbände erwogen hatten. Am 9. Dezember soll ein Kleiner Parteitag einen Koalitionsvertrag förmlich absegnen.

Davor stehen noch harte Verhandlungen, übrigens auch zwischen CDU und CSU. Merkel hat in der Fraktion die Pkw- Maut an die Bedingung geknüpft, dass nicht nur im statistischen Durchschnitt, sondern ganz konkret „kein deutscher Autofahrer mehr belastet werden“ dürfe.

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