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Koalitionsverhandlungen: Lakritz und Geleebananen

FDP und Union beraten mit Tigerente über Gemeinsamkeiten und Knackpunkte – und gewöhnen sich langsam an ihre Mehrheit.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Die Tigerente hat es geschafft. Am Montag liegt sie auf dem Tisch vor Angela Merkel wie vor Guido Westerwelle, quadratisch, handlich, schwarz- gelb gestreift verpackt. Der Vollmilch- Schokohappen ist aber nur die Krönung kulinarischer Anspielungen zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen: Lakritz mit Geleebananen gab es, Kartoffeln im Balsamico-Essigrand, Nuss schwarz- gelb, einzig das Steak entging der Färbeorgie. Was sich der Gastgeber in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung dabei gedacht hat, ist schwer zu sagen. Der Symbol-Überfluss passt aber zur ersten Botschaft der drei Parteivorsitzenden: Leute, wir haben gewonnen! Wir werden dieses Land regieren! Und wenn es gut geht, nicht bloß bis 2013!

Adressat dieser Botschaft ist vor allem die Union, die in den Tagen seit der Wahl wenig Glücksgefühl verbreitet hat. „Man kann nicht oft genug sagen: Wir haben unsere Wunschkoalition, eine bessere kriegen wir nicht“, mahnt ein Unionspolitiker. Viele, sagt ein anderer, hätten noch gar nicht recht begriffen, was ihnen der Wähler da beschert habe: eine bürgerliche Mehrheit im Parlament, Widerlegung der These, das Land sei links.

Dass diese Chance nicht leichtfertig verspielt werden darf, schwebte – fasst man die Auskünfte von Gewährsleuten beider Seiten zusammen – als Leitlinie über der Runde. Bestimmte neuralgische Stichworte etwa fielen nicht – „Kündigungsschutz“ zum Beispiel oder die FDP-Forderung nach Auflösung der Arbeitsagentur. Zugleich wurde der Hinweis laut, man müsse ja auch nicht jedes strittige Thema behandeln – was in der nächsten Wahlperiode nicht anstehe, darüber könne der Koalitionsvertrag schweigen. Wobei es, wie Teilnehmer offen einräumen, meist reine Definitionssache ist, was anstehen soll und was nicht.

Eineinhalb Stunden haben die Koalitionäre zunächst über Zeitpläne und Arbeitsordnung gesprochen, bis hin zur detaillierten Besetzung der Arbeitsgruppen oder Fragen der Medienarbeit. FDP- Chef Westerwelle hat übrigens dabei versucht, der Runde ein Schweigegelübde aufzuerlegen, was, wie man sieht, nicht richtig gut klappt.

Die restlichen sieben Stunden dienten einem, wie Teilnehmer versichern, sehr freundschaftlich und zugleich sehr offen geführten Durchgang durch die großen Themenfelder: „Jeder hat mal gesagt, was ihm besonders wichtig ist.“ Dabei sind erste Pflöcke eingeschlagen worden. Ausdrücklich etwa haben sich alle geschworen, keine Steuern zu erhöhen und – einer hat da sicherheitshalber nachgehakt – auch keine neuen zu erfinden. Das ist zwar nicht neu, aber in dieser Runde ausgesprochen eben doch auf andere Art verbindlich als die Wohlfühl-Lyrik in den Wahlprogrammen.

Zugleich sind die Felder deutlich geworden, in denen es schwierig wird. Allen voran die Steuerreformfrage – FDP und CSU drängen auf Entlastung, die CDU verweist auf die leeren Kassen. Der Streit könnte sich freilich stark entschärfen, wenn – womit alle rechnen – die nächste Projektion der Wirtschaftslage am 21. Oktober zeigt, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise doch nicht so folgenschwer wird wie anfangs vermutet.

Innere Sicherheit und Datenschutz ist ein zweites großes Konfliktfeld – besonders heikel vor dem Hintergrund, dass eine „Piraten“-Partei aus dem Stand zwei Prozent bei der Bundestagswahl gewinnt. Gesundheitspolitik ist das dritte Feld. Die FDP hat den Gesundheitsfonds in der Runde nicht prinzipiell infrage gestellt, aber Korrekturen im Detail verlangt. Schließlich gibt es in der Familienpolitik beträchtliche Differenzen. Die FDP findet das „Betreuungsgeld“ überflüssig, besteht aber auf der anderen Seite auf einem Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Hier lauert ideologisch-kultureller Sprengstoff.

Dafür zeigt sich in anderen Fragen unerwarteter Konsens. Der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms etwa hat einer bass erstaunten Union ein flammendes Plädoyer für die Rettung der Milchbauern gehalten. Dafür hat die FDP erleben dürfen, wie Harmonie im C-Parteienlager funktioniert. Um halb elf hat Karl-Theodor zu Guttenberg von draußen die kalten Platten reingetragen. Den Käseteller hat der Freiherr vor die Kanzlerin gestellt. Als ob er Angela Merkel angesehen hätte, was ihr jetzt gerade fehlt.

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