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© dpa-Zentralbild

Koalitionsverhandlungen: Schwarz-Gelb ist sich einig – fast

Nach den Rahmenbedingungen kommen die Personalien: Schäuble soll Finanz-, de Maizière Innenminister werden. Guttenberg übernimmt das Verteidigungsressort, Leyen bleibt im Amt. Jung wird vermutlich Arbeitsminister, Pofalla Kanzleramtschef.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Mit ersten Weichenstellungen für das künftige Kabinett ist die schwarz- gelbe Koalition am Donnerstag in die Schlussrunde ihrer Verhandlungen gegangen. Neuer Bundesfinanzminister wird der bisherige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), neuer Verteidigungsminister der derzeitige Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) könnte Schäuble im Innenministerium folgen, sein Posten im Kanzleramt ginge dann an CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla.

Neuer CDU-Generalsekretär wird Hermann Gröhe, bisher Staatsminister im Kanzleramt. Als Verkehrsminister soll CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer ins neue Kabinett einziehen. Unklar war zunächst, ob die CSU ihr drittes Ressort Landwirtschaft und Verbraucherschutz behält. Für diesen Fall hat die FDP Anspruch auf fünf Ministerposten angemeldet. Fest stand, dass die Liberalen das Auswärtige Amt, das Wirtschafts- und das Justizministerium besetzen werden.

Die Grundzüge des Personaltableaus hatten die drei Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Guido Westerwelle (FDP) und Horst Seehofer (CSU) bereits Donnerstag nacht verabredet. Der Wechsel Schäubles in das Schlüsselressort Finanzen ist eine Überraschung. Bisher war allgemein angenommen worden, dass der 67-jährige CDU-Politiker Innenminister bleiben würde. Merkel hatte Guttenberg danach offenbar die Wahl zwischen dem Innen- und dem Verteidigungsministerium gelassen. Für eine Reihe weiterer Personalien gab es zunächst keine Bestätigung. So meldete das ZDF, dass Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) als Arbeitsminister vorgesehen sei. Als möglicher Gesundheitsminister ist der niedersächsische Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) im Gespräch.

Als ersten der schwierigen Sachpunkte hakten CDU, CSU und FDP bereits am Donnerstagabend die Gesundheitspolitik ab. Die Einigung sieht vor, dass das Gesundheitssystem ab 2011 neu gestaltet werden soll. Der Arbeitgeberanteil an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung soll festgeschrieben werden, die Kassen sollen wieder mehr Beitragsautonomie erhalten und auch die Möglichkeit erhalten, dabei nach Regionen zu differenzieren. Außerdem einigten sich die Koalitionäre auf ein neues Finanzierungssystem mit „einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen, die sozial ausgeglichen werden“. Über die Details und den Weg dorthin soll eine Regierungskommission beraten, die noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen soll.

Unterschiedliche Interpretationen gab es über die Frage, wie stark sich das anvisierte Prämienmodell an die alte CDU- Idee einer Kopfpauschale anlehnen soll. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt betonte, es bleibe bei einem lohnbezogenen Beitrag mit „kleinen Prämienelementen“. Dies könnte bedeuten, dass lediglich die Beitragszuwächse für steigende Gesundheitskosten über pauschale Versichertenprämien finanziert werden sollen. Wie der Sozialausgleich gestaltet werden soll, blieb am Freitag ebenso offen wie die Frage, ob dafür nicht auch Steuern erhöht werden müssen.

Das Wort „Gesundheitsfonds“ kommt in dem Vertragstext nicht mehr vor, obwohl dessen Grundstrukturen bis auf weiteres erhalten bleiben. Es bleibt auch bei dem bisherigen Einheitsbeitrag in Höhe von 14,9 Prozent und dem Arbeitgeberanteil von sieben Prozent. Allerdings dürften auf die Versicherten im kommenden Jahr spürbar höhere Kosten zukommen. Zwar soll das krisenbedingte Defizit im Gesundheitsfonds durch Steuerzuschüsse in Höhe von rund vier Milliarden Euro ausgeglichen werden. Weil Experten das zu erwartende Minus aber auf 7,5 Milliarden beziffert haben, ist davon auszugehen, dass sich schon im nächsten Jahr viele Krankenkassen den Rest über so genannte Zusatzbeiträge holen, die allein die Versicherten zu zahlen haben. Die Belastungsobergrenze bei diesen Zusatzbeiträgen von einem Prozent des Einkommens wurde trotz entsprechender Kassenforderungen jedoch nicht erhöht.

In der Union gibt es bereits Kritik an der Einigung. Sachsens CDU drohte mit Widerstand im Bundesrat, weil die Neuordnung „den Osten benachteiligt und die westdeutschen Länder belohnt, die ihre Gesundheitsstrukturen nicht in Ordnung gebracht haben,“ sagte Generalsekretär Michael Kretschmer der „Sächsischen Zeitung“.

Auf der Tagesordnung der Koalitionsrunde, die am Freitag nachmittag zur voraussichtlich letzten Sitzung zusammenkam, stand noch eine Reihe großer Streitpunkte. Der Gesamtumfang und die genaue Ausgestaltung der geplanten Steuerentlastung sollte erst zuletzt vereinbart werden. Dementiert wurde aber, dass eine Anhebung des Kindergeldes bereits beschlossene Sache sei. Teilnehmer der Runde rechneten mit Verhandlungen bis tief in die Nacht. Offen war unter anderem auch die Zukunft der Wehrpflicht. In der Union gab es noch Vorbehalte gegen die Verabredung der Fachpolitiker, den Grundwehrdienst von neun auf sechs Monate zu verkürzen.

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