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Politik: Köhler fordert Vorfahrt für Arbeit

Präsident erwartet größere Anstrengungen der Politik / Kritik an Gewerkschaften und Arbeitgebern

Berlin Zwei Tage vor dem Jobgipfel des Bundeskanzlers mit der Unions-Führung hat Bundespräsident Horst Köhler die Politik zu mehr Anstrengungen gegen die Arbeitslosigkeit aufgefordert. In einer Rede vor Arbeitgebern in Berlin sagte er, angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt „brauchen wir in Deutschland jetzt eine Vorfahrtsregel für Arbeit“.

Die ökonomische und soziale Nachkriegsordnung, die Deutschland erfolgreich gemacht habe, sei im Niedergang, konstatierte Köhler. Daran seien immer neue Auflagen und Regulierungen für die Wirtschaft ebenso schuld wie Arbeitgeber und Gewerkschaften, die ihre Tarifverträge oft zulasten Dritter – der Arbeitslosen und der Steuerzahler – geschlossen hätten. Den Gewerkschaften empfahl Köhler Lohnzurückhaltung, die Arbeitgeber mahnte er, Investitionen nicht zurückzuhalten. Für Wachstum und Beschäftigung bedürfe es einer nachhaltigen Steuerreform und niedrigerer Arbeitskosten.

CDU-Chefin Angela Merkel wertete die Rede als Bestätigung für den Kurs ihrer Partei. SPD-Chef Franz Müntefering reagierte zurückhaltend. Mit Blick auf die Regierungserklärung des Kanzlers sagte er, „die wichtigste Rede dieser Woche wird Donnerstag früh gehalten“. Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer bezeichnete Köhlers Äußerungen indes als „außerordentlich bemerkenswert“. Köhler habe den Geist des Aufbruchs beschworen, sagte Bütikofer der „Berliner Zeitung“. IG-Metall-Chef Jürgen Peters sprach von „einer Ansammlung wirtschaftsliberaler Glaubenssätze“.

Kanzler Gerhard Schröder erwartet von dem Jobgipfel eine Stärkung seiner Politik. „Das Treffen ist eine gute Chance, die politische Debatte in unsere Richtung zu bringen“, sagte Schröder nach Angaben von Teilnehmern am Dienstag in einer SPD-Fraktionssitzung. Damit würde die Union, die im Bundesrat wichtige Vorhaben blockiere, unter Druck geraten. Die Union warnte vor zu hohen Erwartungen an den Gipfel. Angela Merkel stellte klar, die Unternehmen könnten nicht auf Steuergeschenke hoffen. „Für eine steuerliche Realentlastung der Wirtschaft haben wir nur sehr enge Spielräume“, sagte sie dem „Handelsblatt“.

Die Grünen-Haushaltsfachfrau Anja Hajduk sprach sich generell gegen eine Senkung der Unternehmenssteuern aus. „Das Problem sind die Arbeitskosten und nicht die Steuern“, sagte sie. Mehr Jobs würden geschaffen, wenn der Jobgipfel „zu einer Senkung der Lohnnebenkosten, etwa der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung“ führe. Sie forderte, die Debatte um eine höhere Mehrwertsteuer „ohne politische Tabus“ zu führen. Tsp/HB

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