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Politik: Köhler: Mehr Arbeit, mehr Bildung, weniger Staat Bundespräsident mahnt zum Tag der Einheit

den Westen, vom Reformeifer im Osten zu lernen

Bundespräsident Horst Köhler hat die Bürger in Deutschland aufgerufen, aus den Erfahrungen der Wendejahre 1989/90 zu lernen, um die aktuellen Schwierigkeiten von Wirtschaft und Sozialsystem in der Bundesrepublik zu meistern. Die Ostdeutschen hätten damals ihren „überwältigenden Willen zum Aufbruch und zur Veränderung“ in die Deutsche Einheit eingebracht, sagte Köhler in einer Rede zum Tag der Einheit am Sonntag in Erfurt. Der Westen sei hingegen zwar für vieles Positive, aber auch für das Übel eines Regelwerks verantwortlich, das viel zu üppig und zu umständlich geworden sei und die Kraft zur Eigeninitiative abgeschnürt habe.

Köhler mahnte auch eine Reform der Verfassung und der politischen Einrichtungen an. „Die Staatsapparatur gehört entrostet, umgebaut und in Schwung gebracht.“ Die Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat, die derzeit darüber berät, forderte er dazu auf, Reformen zustande zu bringen, „die diesen Namen wirklich verdienen“. Er beobachte die Arbeit der Kommission sehr genau und bitte auch die Bürger: „Messen Sie am Ergebnis dieser Debatte die Qualität der deutschen Politik.“

Heute, so Köhler, sehen auch viele Unternehmer im Osten in einem Mangel an Freiheit und zu vielen bürokratischen Vorschriften das Haupthindernis für ihren Erfolg. Immer mehr Menschen wollten ihre Ideen selbst in die Tat umsetzen und brauchten dafür mehr Entscheidungsspielraum. „Warum tun wir uns so schwer damit, dieser Kraft politisch mehr Raum zu geben?“, fragte Köhler.

Seine Kritik am westlichen Erbe der vereinten Bundesrepublik verband Köhler auch mit Selbstkritik: Es sei zwar wichtig gewesen, dass Helmut Kohl und der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière auf die rasche Vereinigung gesetzt hätten. „Aber uns allen, auch dem Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Horst Köhler, fehlte damals die Zeit oder die Weitsicht, um im Zuge der Vereinigung wenigstens einige der im Westen überfälligen Reformen anzugehen. An dieser Last trägt ganz Deutschland bis heute. Das ist eine Hauptursache für viele unserer Schwierigkeiten“, sagte Köhler. Der Bundespräsident wandte sich gegen Abstriche am SolidarpaktII: Die Aufbauarbeit in den neuen Ländern müsse weitergehen. „So ist es bisher im Solidarpakt II für die nächsten fünfzehn Jahre auch vereinbart, und niemand darf das in Frage stellen.“ Nach wie vor fehlten Unternehmen und Arbeitsplätze, und Arbeit sei das wichtigste: „Wir dürfen uns nirgendwo mit Arbeitslosigkeit abfinden, egal ob in Nord, Süd, West oder Ost.“

Köhler äußerte sich optimistisch über die Fähigkeit Deutschlands, Probleme zu bewältigen. Die Deutschen hätten in ihrer langen Geschichte „schon ganz andere Herausforderungen gemeistert“, und „unsere Leistungen in der Gegenwart können sich sehen lassen“. Er sagte: „Wir stehen vor einem Berg von Aufgaben. Manchem erscheint er unüberwindlich. Ich bin überzeugt: Wir können und werden diesen Berg überwinden.“

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