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Politik: Köln und Niger gehören zusammen

Von Wolfgang Schäuble

Der heute zu Ende gehende Weltjugendtag gehört zu den Ereignissen, die wirklich Mut machen und auch diejenigen optimistisch stimmen können, die der Kirche nicht sehr nahe stehen. Die Gesichter von Köln stehen für eine hoffnungsvolle Zukunft. Junge Menschen aus aller Herren Länder freuen sich zusammen. Gewiss, sie haben Spaß am gemeinsamen Feiern und daran, sich kennen zu lernen. Sie verstehen sich, weil sie Werte teilen vom Leben und vom menschlichen Zusammenleben, und dazu gehört das Interesse am anderen. Köln straft die Klischees Lügen über eine Jugend, die sich quasi in einer tumben Spaßgesellschaft verliere. Man muss die Bilder von Köln aber auch mit dem Anblick der Gesichter aus Niger und anderen Ländern der Subsahara in Zusammenhang bringen, und dieser Anblick lässt sich kaum aushalten. Hunger und Elend schreien uns millionenfach entgegen. Viele der Gründe sind hausgemacht, aber keineswegs alle. Die wohlhabendere Staatengemeinschaft wird erklären müssen, weshalb Dürre und Not wieder einmal vorausgesagt, aber nicht aufgehalten werden konnten.

Vor einigen Monaten hat die überwältigende Hilfe für die Betroffenen des Tsunami viel Gutes getan – Afrika aber dürfen wir nicht vergessen. Die Menschen in einigen Regionen dort brauchen unsere Hilfe zum puren Überleben. Unser Nachbarkontinent benötigt und verdient aber noch viel mehr: Er braucht unser beständiges Interesse, unsere Achtung. Ohne ständige Aufmerksamkeit, unabhängig von Katastrophen und Events, wird er nicht die Möglichkeiten entfalten können, über die Afrika in Wahrheit reichhaltig verfügt. Und umgekehrt würden wir versagen, wenn wir uns nicht dauerhaft für andere auf dieser Welt interessieren, die unsere Teilnahme brauchen. So gehören die Gesichter von Köln und in Niger zusammen, gemeinsam stehen sie für unsere globalisierte Welt, in der uns nahe und entfernte Freude und Sorgen gleichermaßen berühren und Anteilnahme verdienen. Köln zeigt, dass die Jugend sich engagieren und kümmern möchte um andere Menschen. Dass dieser Elan erhalten bleibt und unabhängig vom Fest sich in einem grundsätzlichen Einsatz bewährt, ist Aufgabe einer guten Entwicklungspolitik, die sich in der Verantwortung sieht für die unter Armut Leidenden und für die Schöpfung auf Grundlage unseres christlichen Menschenbildes und die den Mut hat, langfristig zu denken und sich auf bestimmte Länder, Regionen und Schlüsselsektoren, wie eine effizientere Landwirtschaft, zu konzentrieren.

Die enorme Aufmerksamkeit, die die großen kirchlichen Ereignisse dieses Jahres um den Tod des polnischen und die Wahl des deutschen Papstes und jetzt um den Weltjugendtag in unserer sonst eher profan gestimmten Mediengesellschaft gefunden haben, bedeutet natürlich noch nicht, dass unser Land neuerdings besonders christlich geworden ist. Aber diese eindrucksvollen Bilder haben die Blicke vieler auf das Wesentliche gelenkt: darauf, dass der Mensch eben nicht vom Brot allein lebt, dass Glauben Freude machen und Kraft geben kann, sich für andere zu interessieren und einzusetzen. Die Jugend ist bereit, sich der globalen Welt mit all ihrer Freude und all ihren Sorgen anzunehmen – eine gute Chance für eine wertegebundene Entwicklungspolitik, auch für die Menschen in Niger, vor allem aber für uns selbst.

Wolfgang Schäuble ist stellvertretender Unions-Fraktionschef.

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