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Politik: Koffer voller Geld

Die Partei von Brasiliens Präsident Lula steht im Zentrum von Bestechungsvorwürfen

Abgeordnete mit Koffern voller Geld, ein plötzlich zu Reichtum gekommener Präsidentensohn und Schwarzgeld an Parlamentarier, damit sie für Reformen stimmen. Das sind die Zutaten zum Korruptionsskandal, der Brasilien in Atem hält.

Nachdem bereits Anfang Juni der Präsidialamtsminister Jose Dirceu wegen der Korruptionsvorwürfe zurücktrat, entschied sich Präsident Luiz Inacio Lula da Silva zu einer Kabinettsumbildung. Im Zuge dieser Reform entließ er am Donnerstag seinen Minister für Menschenrechtsfragen, Nilmario Miranda, und schaffte sein Ministerium gleich mit ab. Menschenrechte sollen nun im Justizministerium geschützt werden.

Zwei Tage zuvor verstieß die oppositionelle, rechte Partei der Liberalen Front den Abgeordneten Joao Batista Ramos da Silva aus ihren Reihen, nachdem er am Wochenende am Flughafen mit sieben Koffern voller Geldscheinen festgenommen worden war. Die umgerechnet vier Millionen Dollar seien Spenden von Gläubigen der Iglesia Universal del Reino de Dios, hatte Ramos gesagt, der auch Priester der in Brasilien einflussreichen charismatischen Kirche ist. Doch weil er den Nachweis dafür schuldig blieb, nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts der Geldwäsche auf. Das ist nur die jüngste Episode einer Reihe von Skandalen, die Präsident Lula in die bislang größte Krise seit seinem Amtsantritt im Januar 2003 stürzten.

Angefangen hatte es im Mai mit einem kleineren Korruptionsfall im Direktorium der Post. Dort saßen zu dem Zeitpunkt Parteifreunde des Abgeordneten Roberto Jefferson von der Partido Trabalhista Brasileno (PTB), einem kleinen Koalitionspartner von Lulas Arbeiterpartei (PT). Ämterschacherei ist eine in Brasilien übliche Praxis: Bei jedem Regierungswechsel werden 25000 Posten in Ministerien und Staatsbetrieben neu besetzt. Jeffersons Parteifreunde forderten nun von Firmen Schmiergeld im Gegenzug für Staatsaufträge. Als Jefferson dazu vor einem Untersuchungsausschuss Stellung nehmen musste, startete er eine Gegenoffensive: Die Regierung habe Abgeordneten bis zu 12000 Dollar monatlich gezahlt, damit sie für Reformprojekte stimmen, behauptete er. Beweise blieb er zwar schuldig, aber allein die Tatsache, dass die PT bis zuletzt einen Untersuchungsausschuss dazu verhindern wollte, kam einem Schuldeingeständnis gleich.

Der Skandal traf neben dem Lula-Vertrauten Dirceu vor allem Parteifunktionäre der Arbeiterpartei: Schatzmeister Delubio Soares und Parteichef Jose Genoino sind bereits zurückgetreten. Dirceu und Soares sollen nach Angaben von Jefferson die schwarzen Kassen „im finstersten Mafiastil“ verwaltet haben. Ein weiteres Opfer war Kommunikationsminister Luiz Gushiken, der seiner eigenen Beraterfirma lukrative Aufträge zugeschanzt haben soll. Noch in der Schusslinie sind der PR-Manager Marcos Valerio, der als Strohmann der PT-Mafia fungiert haben soll und dessen Vermögen im ersten Jahr der Regierung Lula um 76 Prozent gewachsen ist sowie Lulas Sohn Fabio, der offenbar dank eines staatlichen Kredits vom Arbeitslosen zum erfolgreichen Videospielhersteller aufstieg.

Das Abzweigen staatlicher Mittel ist in Brasilien ebenso gängig wie das Phänomen, dass Abgeordnete ihre Parteien wechseln wie Oberhemden, um an den Fleischtöpfen der jeweils Regierenden zu landen. Das eigentlich Explosive der Affäre liegt darin, dass erstmals auch die PT der Praktiken bezichtigt wird, die sie früher angeprangert und deren Beendigung sie versprochen hat. Damit verliert Lula, der angetreten war, die Korruption zu bekämpfen, seine Glaubwürdigkeit. Dass ausgerechnet jetzt schmutzige Wäsche gewaschen wird, ist kein Zufall: Im Herbst des kommenden Jahres wird gewählt, und bisher ließen die Umfragen kaum Zweifel an einer Wiederwahl Lulas.

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