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Kofferbomber: "Eine zutiefst terroristische Tat"

Der Kofferbomber von Köln muss lebenslang hinter Gitter. Der Libanese Yussef al Hajdib wird wegen versuchten vielfachen Mordes verurteilt.

Von Frank Jansen

Er hat den Ungläubigen, zumindest deren Kameraleuten und Fotografen im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts, noch seine Feindschaft demonstriert. Kurz vor der Verkündung des Urteils zeigt Yussef al Hajdib den rechten Stinkefinger. Dann steht der 24-Jährige ruckartig auf, streckt den Kameras beide Hände mit ausgestrecktem Mittelfinger entgegen und verlässt wieder, umringt von drei Wachtmeistern, durch eine Tür den Sitzraum für Angeklagte. Einige Journalisten sind begeistert. Der Angeklagte mit dem pechschwarzen Vollbart hat mediengerecht das Bild des zornigen Islamisten geliefert. Offenbar ahnend, dass ihm die Höchststrafe droht.

Nach fast genau einem Jahr Prozessdauer verkündet der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats, Ottmar Breidling, am Dienstag im Prozess gegen den libanesischen Kofferbomber das Urteil: lebenslange Haft. Wegen versuchten Mordes „an einer unbestimmten Anzahl von Menschen“ in Tateinheit mit dem Versuch, eine Sprengstoffexplosion herbeizuführen. Für den Senat ist klar: Der Angeklagte und sein im Libanon bereits zu zwölf Jahren Haft verurteilter Komplize Dschihad Hamad haben am 31. Juli 2006 in Köln zwei Regionalzüge bestiegen und Trolleys mit Gasflaschen und Zündern deponiert, die nur dank eines technischen Fehlers nicht detonierten. Hajdib ist dafür vor einem Jahr in Beirut, obwohl in Deutschland inhaftiert, ebenfalls schon verurteilt worden – auch dort zu lebenslanger Haft.

Der Ex-Student sitzt stocksteif auf seinem Stuhl und starrt in den Saal, als nehme er die harten Worte des Richters kaum wahr. Breidling trägt eine für ihn typische Urteilsbegründung vor: Klartext, rigoros und mahnend. Die Tat habe der Öffentlichkeit vor Augen geführt, „wie groß auch in diesem Land die Gefahr terroristischer Anschläge durch aufgeheizte und verblendete Radikalislamisten ist“. Wären die Sprengsätze der Libanesen explodiert, „wäre Deutschland von einem Anschlag erschüttert worden, der die Erinnerung an andere, verheerende Anschläge in jüngerer Zeit wachgerufen hätte“, sagt Breidling, „ich denke hier namentlich an die Anschläge von London und Madrid“. Es habe sich „um eine zutiefst terroristische Tat“ gehandelt.

Breidling folgt dem Plädoyer der Bundesanwaltschaft. Der Richter zerpflückt die Verteidigungsstrategie Hajdibs und seiner beiden Anwälte. Die Aussage des Angeklagten, er habe nach einem Wandel „in seinem Innersten“ vom Tatplan Abstand genommen und ohne Wissen des Mittäters die Sprengsätze so hergestellt, dass sie nicht explodieren konnten, „war aufgrund der objektiven Beweislage von vornherein zum Scheitern verurteilt“, sagt der Richter. Der Senat hält Hajdib sogar für die treibende Kraft bei der Planung des Anschlags. Der Angeklagte habe es „als unbedingte Pflicht als Muslim“ betrachtet, für die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in deutschen Zeitungen „in Deutschland gewaltsam Vergeltung zu üben“. Und Breidling glaubt kein bisschen, dass Mittäter Hamad im Libanon gefoltert wurde und deshalb Hajdib belastet hat. Hamad selbst legt am Dienstag nach und lässt über seinen Anwalt mitteilen, Hajdib sei es gelungen ihn in eine „schmerzhafte Tat zu verwickeln, was ich mein Leben lang bereuen werde“.

Einer seiner Verteidiger hat schon vor dem Urteil Revision angekündigt. Die Täter seien „strafbefreiend von ihrem Plan zurückgetreten“, Explosionen stattfinden zu lassen, steht da. Das „Vorhaben“ weiche also „deutlich ab von Madrid oder London“.

Im Urteil des Senats finden sich politische Statements. Angesichts von Beweisanträgen der Verteidigung, durch die das Verfahren „in die Länge gezogen wurde“, regt der Richter an, der „Überlegung“ einer gesetzlich geregelten Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen sollte „nähergetreten werden“. Breidling verteidigt vehement die umstrittene Videoüberwachung. Dank der Kameras auf dem Kölner Hauptbahnhof konnten die Kofferbomber in weniger als drei Wochen ermittelt und festgenommen werden.

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