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Kofi Annan: Finale für die Lichtgestalt

UN-Generalsekretär Kofi Annan meldet sich in der Libanon-Krise ungewöhnlich laut zu Wort. Es ist wahrscheinlich sein letzter großer Auftritt vor dem Ende seiner Amtszeit.

New York - Kofi Annan zögerte nicht lange. Wenige Stunden waren vergangen, seit Israels Armee vier UN-Soldaten im Libanon getötet hatte. Der UN-Generalsekretär ließ bei seiner Erklärung jede diplomatische Vorsicht fahren. Das Bombardement sei «offenbar absichtlich» gewesen, erklärte Annan. Und setzte damit den offensiven Kurs fort, den er seit Beginn der israelischen Offensive im Libanon fährt. Laut fordert er einen Waffenstillstand, schlug als Erster eine stärkere Friedenstruppe vor, legte einen Masterplan zur Lösung des Konflikts vor. Die Libanon-Krise könnte Annans letzter großer Auftritt sein vor dem Ende seiner Amtszeit im Dezember. Und sie könnte nun über das bleibende Bild des 68-Jährigen entscheiden, der binnen zehn Jahren zur Lichtgestalt der Diplomatie wurde, aber auch schwere Niederlagen einstecken musste.

Der UN-Generalsekretär gilt nicht als notorischer Kritiker Israels. Wohl auch aus privaten Gründen: Verheiratet ist er mit der Schwedin Nane Annan, einer Nichte des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der im Zweiten Weltkrieg tausende Juden vor den Nazis rettete. Umso schärfer klingen die Worte der Schuldzuweisung an die israelische Armee. Doch der Vorwurf ist nur der Höhepunkt einer Reihe lauter Einmischungen: So hat Annan in den vergangenen Wochen stets sowohl Israel als auch die Hisbollah-Miliz zu einem Ende der Gewalt aufgerufen. Dabei nutzte er den Freiraum, den ihm die USA gut eine Woche lang ließen, als Washington dem Konflikt weitgehend seinen Lauf ließ.

So prominent dürfte Annan zuletzt beim Irak-Krieg gewesen sein. Damals positionierte sich der UN-Generalsekretär offen als Gegenspieler der Vereinigten Staaten, auf deren Wunsch hin er 1996 noch auf den UN-Chefposten gelangt war. Annan ließ sich sogar zu der Aussage hinreißen, der Krieg sei «illegal». Kritiker warfen ihm vor, damit brutalen Widerstandskämpfern im Irak eine Rechtfertigung ihres Kampfes zu bieten. Doch für jene, die den Irak-Krieg ablehnten, wurde das UN-Oberhaupt endgültig zur moralischen Instanz. Zu dieser hatte sich der leise und bedächtig sprechende Annan zuvor entwickelt. Spätestens mit dem Erhalt des Friedensnobelpreis 2001 war der Ghanaer für viele so etwas wie ein personifiziertes Weltgewissen.

Schatten des UN-Skandals

Dabei schienen am ersten schwarzen UN-Generalsekretär der Geschichte negative Nachrichten schlicht abzuperlen. Kaum jemand erinnerte daran, dass Annan im Vorfeld des Völkermords in Ruanda 1994 kaum aktiv wurde. Damals war er als Vize-Generalsekretär für Friedenseinsätze zuständig. Auch das Scheitern anderer UN-Missionen unter Annans Führung strahlten nicht auf den Afrikaner ab. Erst im vergangenen Jahr bekam das Bild des Übermenschen erste schwere Kratzer. Es wurde bekannt, dass er im Skandal um das «Öl für Lebensmittel"-Programm schwere Managementfehler begangen hatte. Dann scheiterte das wohl größte Projekt seiner Amtszeit weitgehend - die UN-Reform, die immerhin die grundlegende Reform der über Jahrzehnte wuchernden Strukturen der Organisation zum Ziel hatte.

Ende des Jahres wird Kofi Annan sein Amt abgeben, nachdem er viele Jahrzehnte in verschiedenen Funktionen für die Weltorganisation gearbeitet hatte. Ein Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah, eine Freilassung der entführten israelischen Soldaten, ein Ende des Flüchtlingselends, eine UN-Friedensmission. All dies wird nicht nur über die Zukunft des Nahen Ostens entscheiden, sondern wohl auch darüber, wie eines Tages die Passagen über Kofi Annan in den Geschichtsbüchern lauten werden. (Von Hervé Couturier, AFP)

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