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Politik: Kohl und die Koalition stärken Finanzminister Waigel den Rücken

Bundestag lehnt Entlassung des Ministers ab / Opposition stützt sich auf Gutachten des Sachverständigenrates BONN (sks).Bundeskanzler Helmut Kohl hat sich vorbehaltlos hinter Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) gestellt.

Bundestag lehnt Entlassung des Ministers ab / Opposition stützt sich auf Gutachten des Sachverständigenrates BONN (sks).Bundeskanzler Helmut Kohl hat sich vorbehaltlos hinter Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) gestellt.Dieser sei ein "exzellenter Finanzminister".Nach einer erbitterten Bundestagsdebatte zur Finanzpolitik der Regierungskoalition scheiterte am Mittwoch der Antrag von SPD und Bündnisgrünen mit 328 gegen 311 Stimmen, den Finanzminister zu entlassen.Die Opposition warf Waigel und dem Kanzler vor, mit ihrer Finanzpolitik am Ende zu sein.Mit dem Rücktritt solle der Finanzminister den Weg zu Neuwahlen freimachen. Die Opposition stützte sich in ihren Attaêken auch auf ein neues Sondergutachten des Sachverständigenrates, in dem die derzeitige Etatpolitik vor allem mit Blick auf die Höherbewertung der Goldreserven und den vorzeitigen Verkauf bundeseigener Telekom-Aktien als ungeeignetes Mittel bezeichnet wird, die Fehlentwicklungen bei den öffentlichen Finanzen zu beheben.SPD-Chef Oskar Lafontaine, der Fraktionsvorsitzende Rudolf Scharping und Joschka Fischer (Bündnisgrüne) sahen Waigels Finanzpolitik gescheitert.Mit seinem Vorstoß zur Neubewertung der Goldreserven habe er dem deutschen Ansehen europaweit geschadet, und mit dem hastigen Versuch, über den Verkauf von Bundesvermögen Geld in die Kassen zu holen, sei er in der Gefahr, "in Zeitnot unter Wert verkaufen zu müssen". Waigel und nach ihm der Kanzler räumten in der mehr als vierstündigen Debatte ein, daß es noch keine endgültige Einigung mit der Bundesbank über die Modalitäten einer Höherbewertung der deutschen Goldreserven gibt.In seinem Gespräch mit Bundesbankpräsident Tietmeyer, hieß es dazu ergänzend im Finanzministerium, habe Waigel in erster Linie Annäherungen in der Neubewertung der Devisenbestände, nicht aber der Goldreserven, erzielen können.In seiner nur 20 Minuten dauernden Regierungserklärung zu Beginn der Plenarsitzung gab der Finanzminister bekannt, daß er angesichts der Milliardenlücken im Etat 1997 Ausgaben ab einer Million Mark unter Genehmigungsvorbehalt stellen werde, was praktisch einer Haushaltssperre entspricht.Allerdings sollen den Ministerien keine Einsparbeträge vorgegeben werden.Zu einem solchen Schritt hatte er sich schon in den beiden Vorjahren durchringen müssen. Angesichts der prekären Lage schloß der Kanzler in seiner Verteidigungsrede für Waigel nicht aus, daß in diesem Jahr ein Nachtragshaushalt vorgelegt wird, in dem alle außerplanmäßigen Ausgaben und deren Finanzierung zusammenzustellen sind.Ihm hätte das Parlament zuzustimmen.Ob es dazu komme, werde man sehen, sagte Kohl.Es werde alles darangesetzt, daß die Währungsunion pünktlich zum Jahr 1999 starten könne und Deutschland die Kriterien erfülle.Ein Nachtragsetat wurde auch von der SPD gefordert; sie will ihn notfalls mit Mitteln der Verfassung durchsetzen. Die Koalition verhinderte die Abstimmung über einen zweiten Antrag der Opposition, mit dem der Bundestag die kritische Stellungnahme der Bundesbank gegen den Minister unterstützen sollte.Der Antrag wurde an den Finanzausschuß überwiesen. Waigels Ansehen in der Bevölkerung ist weiter gesunken.Parallel zur Plenardebatte wurde eine Forsa-Umfrage veröffentlicht, wonach inzwischen 52 Prozent der Befragten seinen Rücktritt fordern.Das Vorhaben, die Goldreserven neu zu bewerten, lehnen 57 Prozent ab.

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