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Politik: Kohle oder Glaubwürdigkeit

Moorburg bleibt ein Fall für das Grünen-Gewissen

Hamburg/Berlin - Bundesweit machen Bündnis 90/Grüne mobil gegen Kohlekraftwerke. Nur in Hamburg muss die von der Grün-Alternativen Liste (GAL) gestellte Umweltsenatorin Anja Hajduk in wenigen Tagen über den vom Energiekonzern Vattenfall beantragten Kraftwerksbau von Moorburg entscheiden. Und sie wird ihn wohl genehmigen müssen. Selbst die eigenen Hausjuristen ihrer Behörde haben keinen ausreichenden Hebel entdeckt, um Vattenfall das Vorhaben zu verwehren. Bleibt die Frage, ob die erste schwarz-grüne Koalition auf Länderebene deshalb wirklich in Gefahr geraten könnte.

Im ausgehandelten Koalitionsvertrag hatte man formuliert, die zuständige Behörde entscheide rechtlich über die Genehmigung des Projektes. Über die Kühlwasserthematik und mit einer gewieften GAL-Frontfrau als maßgebliche Stellschraube in einem schwarz-grünen Senat hatte die Parteibasis darauf vertraut, das gigantische Doppelblock-Bauwerk an der Elbe mit einer Leistungskapazität von 1640 Megawatt und einem jährlichen CO2-Ausstoß von bis zu acht Millionen Tonnen noch verhindern zu können, und daraufhin die Zustimmung zum ersten gemeinsamen Regierungsbündnis mit der CDU auf Länderebene erteilt. Schließlich hatte man bereits die bezogen auf ihre Umweltverträglichkeit umstrittene Elbvertiefung als Preis für das Mitregieren gezahlt. Doch dieses Vorhaben ist gescheitert.

Mittlerweile überlegen die Parteistrategen eher, wie sie ihrer Klientel verkaufen können, dass man auch bei einem Bau Moorburgs Schwarz-Grün fortführen will. Die Grünen, das sagen sie hinter vorgehaltener Hand, sind eigentlich sehr zufrieden mit der Koalition. Das eigentliche Prestigeprojekt ist ohnehin die Schulreform, für die die stellvertretende Bürgermeisterin und Schulsenatorin Christa Goetsch von den Grünen verantwortlich ist. Auch dieses Projekt ist in Hamburg, wie vermutlich jede Schul- oder Bildungsreform, höchst umstritten. Die Grünen aber wollen zeigen, dass sie Motor einer Reformkoalition sind. Dazu gehört zwar auch der Umweltschutz, aber in erster Linie Bildungs- und Sozialfragen. Regierungschef Ole von Beust (CDU) hat den Grünen bisher relativ freie Hand gelassen. Sollte Moorburg kommen, so eine Überlegung der Grünen, werde es bei anderen Projekten leichter, die grüne Linie durchzusetzen. Man werde sich an Moorburg nicht verkämpfen, heißt es.

Was Vattenfall und Moorburg angeht, so hat der Energiekonzern aufgrund von Zusagen der vorher allein regierenden CDU bereits mit dem Bau begonnen. Die Vorarbeiten für das Fundament, den Hochwasserschutz und die Kaianlagen sind nach Aussage von Firmensprecherin Sabine Neumann spätestens Ende Oktober beendet. Seit Monaten warte man auf die endgültige Genehmigung, so dass dem Unternehmen seit Juli ein „monatlich mittlerer zweistelliger Millionenbetrag an Mehrkosten“ entstanden sei.

Umweltschützer fordern Hajduk auf, Vattenfall die Betriebsgenehmigung zu versagen und es auf eine womöglich mehrjährige juristische Auseinandersetzung mit milliardenhohen Schadenersatzansprüchen ankommen zu lassen. Die Rechtsexperten der Umweltbehörde bekommen so oder so Arbeit, denn der BUND-Energiereferent Thorben Becker kündigte bei einer Genehmigungserteilung Klagen an.

Mit Hajduks Entscheidung ist für den 30. September zu rechnen. Am selben Abend ist zu einem parteiinternen Mitgliedertreff eingeladen worden. Thema: Wie ist eine Fortsetzung der Koalition möglich? Die hanseatische Linke spöttelt bereits: Aus dem Wahlkampf-Slogan der Grünen vor der Bürgerschaftswahl „Kohle von Beust“ wird jetzt ein neuer Slogan: „Kohle von Anja". dhan/ale

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