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Politik: Kohls allerletzter Triumph - In Israel trägt ein Institut den Namen des deutschen Altkanzlers

Für Helmut Kohl war es der letzte, der allerletzte Triumphzug. Als er im November, kurz vor Ausbruch der Spendenaffäre, in Jerusalem weilte, durfte er sich fast noch als Kanzler wähnen.

Für Helmut Kohl war es der letzte, der allerletzte Triumphzug. Als er im November, kurz vor Ausbruch der Spendenaffäre, in Jerusalem weilte, durfte er sich fast noch als Kanzler wähnen. So groß war die Freude, "den Freund Israels" wiederzusehen.

Auch als Altkanzler hatte Kohl seinen Spaß. Er begrüßte seinen alten CDU-Mitstreiter und jetzigen Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem, Johannes Gerster. Die Gelegenheit war schön: die Grundsteinlegung des mehrere Millionen Mark teuren Konferenz-Zentrums der Adenauer-Stiftung, das vor allem mit vier bis fünf Millionen Mark Spendengeldern aus Deutschland finanziert wurde.

Mindestens so viel Freude wie das Wiedersehen mit dem Pfälzer Gerster machte ihm der Besuch an der Hebräischen Universität. Denn dort gibt es seit 1995 ein Institut mit einem schönen Namen, der seinen Ruhm bislang mehrte: Helmut-Kohl-Institut für europäische Studien.

So schön der Name, so groß war der Ärger im Sommer 1995, als der monatelang geheimgehaltene Coup der Wiedertaufe praktisch gegen den Willen der betroffenen Akademiker gelandet wurde. Das Institut brauchte aber Geld, und der deutsche Kanzler Anerkennung. Hinter den Kulissen trieb die große Politik die Umbenennung kräftig voran, und auch der spätere israelische Botschafter in Bonn, Avi Primor, der sich glänzend mit Helmut Kohl versteht, gehörte da zu den begeisterten Befürwortern der bis dahin in Israel unerhörten Idee, eine rein akademische Institution nach einem lebenden Politiker zu benennen.

Seit diesem Sommer 1995 gehören zwei Lehrstühle zum Helmut-Kohl-Institut, die vom Hamburger Unternehmer Karl Ehlerding über eine Stiftung mitfinanziert werden - und damit also von dem Mann, der Kohl die 5,9 Millionen Mark Parteispende hat zukommen lassen.

Im Jahre 1993 hatte Ehlerding seine Stiftung zur Förderung der Wissenschaften mit 1,6 Millionen Mark ausgestattet, die ausschließlich dem Zweck dienen sollten, den Walther-Rathenau-Lehrstuhl für europäische Wirschaftspolitik und den Arnold-Brecht-Lehrstuhl für europäisches Recht mit jährlich "mindestens 120 000 Mark" aus den Erträgen der 1,6 Millionen Mark zu fördern. Am 7. September 1993 wurde die Satzung notariell beglaubigt, und zwar von Hans Daniels, dem früheren CDU-Abgeordneten und Oberbürgermeister von Bonn. Daniels machte über die Grenzen seiner Stadt hinaus von sich reden, als er im Rahmen der Flick-Spenden-Affäre einen Strafbefehl über 8000 Mark wegen Steuervergehen erhielt - und sich danach im Parlament wie Helmut Kohl für die Amnestie für Spendensünder stark machte. Erfolglos.

Seit der Umbenennung in Helmut-Kohl-Institut arbeiten die Dozenten auch enger mit der Konrad-Adenauer-Stiftung zusammen, zum Beispiel in der politischen Forschung. Kurz nach der Umtaufe wurde dortselbst mit Hilfe der CDU-geführten Bundesregierung ein Fonds in Erinnerung an Lutz Stavenhagen (CDU) gegründet, den verstorbenen Staatsminister und kurzfristigen Koordinator der Geheimdienste unter Kohl. Stavenhagen musste auf unrühmliche Art den Hut nehmen, nachdem er mit Hilfestellungen des BND für Schalck-Golodkowski aufflog, vor allem aber, weil er mit illegalen Waffenlieferungen - an Israel - in Verbindung gebracht wurde.

Prof. Gerhard Wittkämper, Mitglied in der Ehlerding-Stiftung, zeigt sich heute betrübt über die Namensumbenennug des Instituts nach Helmut Kohl und die damit verbundene Vermutung einer Nähe der Stiftung zur CDU: "Wir haben die Lehrstühle bereits vor der Umbenennung finanziert. Uns gefiel der Namenwechsel nicht", sagt der Wissenschaftler. Trotzdem änderte die EhlerdingStiftung nichts an den Finanzierungsmodalitäten.

Karl Ehlerding gilt als ein äußerst großzügiger Spender, der neben der CDU regelmäßig Kinderheime und akademische Einrichtungen gefördert hat. Die WCM-Beteiligungs- und Grundbesitz AG, dessen Mehrheitsaktionär das Ehepaar Ehlerding ist, ist ein Taditionsunternehmen, das als Württembergische Cattunmanufactur bis ins Jahr 1856 zurückreicht. Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft "führte die WürttCattun mit ihrer Textilindustrie auf einen Erfolgskurs, vorbei an den dunklen Jahren der beiden Weltkriege", beschreibt die WCM-AG ihre Erfolgs-Geschichte.

Noch lange nach den "dunklen Jahren" war die WCM zuerst Tochter, später sogar die Mutter der "Industriegemeinschaft Farbenindustrie i. L.", des früheren Chemie- und Rüstungskonglomerats des Dritten Reiches. Gemeinhin ist der ehemalige Nazi-Gigant, der unter anderem das Schädlingsbekämpfungsgas "Zyklon B" verfeinerte, unter dem Kürzel "IG Farben" bekannt. WCM hielt 1994 rund 76 Prozent der "IG Farben i.L." in Händen.

Seither entwickelt sich das Unternehmen zu einem der erfolgreichsten und finanzkräftigsten Konzerne in Deutschland überhaupt. WCM ist eine Holding mit weit verzweigten Tochtergesellschaften. Der Schub hält lange an: Die Bilanzsumme liegt bei 2,2 Milliarden Mark, ausschließlich aus Mieteinnahmen ergeben sich heute weit über 100 Millionen Mark Umsatzerlöse. Dazu sollten bekanntlich die Eisenbahner-Wohnungen aus Bundesbesitz kommen.

Alle Hoffnungen des Helmut-Kohl-Instituts, der Name des deutschen Bundeskanzlers möge als präsentables Zugpferd für weitere Spender aus Deutschland dienen, haben sich nicht erst seit der Spendenaffäre zerschlagen. "Es hat sich nicht gelohnt. Es gab von Anfang an nur Ärger, Unruhe und Ablehnung", sagen heute so freimütig wie einträchtig frühere Leiter des Instituts.

Nur auf einen kann sich das Helmut Kohl-Institut verlassen, und das, obwohl er nichts, aber auch gar nichts mit dem Institut und seinem Namensgeber zu tun haben will: Karl Ehlerding. Vor wenigen Tagen erst, am 16. Dezember, hat er, allen Berührungsängsten zum Namen Kohl trotzend, weitere 1,5 Millionen Mark für die Unterstützung der beiden Lehrstühle am Helmut-Kohl-Institut zugesagt. Der Name Kohl wird in dem auf Englisch abgefassten "Agreement" zwischen der Ehlerding-Stiftung und der Hebräischen Universität übrigens nicht erwähnt.

Rüdiger Scheidges

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