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Französische Streitkräfte Ende Dezember in Zentralafrika.

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Kolumne "Kurz gesagt": Was die Zentralafrikanische Republik wirklich braucht

Der Bürgerkrieg in der Zentralafrikanischen Republik droht in eine humanitäre Katastrophe zu münden. Erst einmal muss es nun um den Schutz der Bevölkerung gehen. Doch langfristig brauchen die Menschen in dem Land etwas ganz anderes.

Frankreich drängt seit Monaten auf eine humanitäre Mission in der Zentralafrikanischen Republik. Der Bürgerkrieg droht dort in eine humanitäre Katastrophe zu münden. Mehr als 400.000 Menschen sind derzeit auf der Flucht, knapp die Hälfte der vier Millionen Einwohner des Landes, das die Größe Frankreichs hat, aber über keine nennenswerte Infrastruktur verfügt, ist von Nahrungsmittelhilfen abhängig. Seit Anfang Dezember befinden sich 1.600 französische Soldaten vor allem in der Hauptstadt Bangui, wo sie am 9. Dezember mit der Entwaffnung der muslimischen Séléka-Koalition begonnen haben. Erfolgversprechender wäre es allerdings, jetzt alle bewaffneten Gruppierungen gleichermaßen zu entwaffnen.

Komplexer Konflikt im gescheiterten Staat

Die von der Afrikanischen Union (AU) geführte Mission MISCA (Mission internationale de soutien à la Centrafrique) soll zügig ihre volle Stärke von 6.000 Truppen erreichen. Wie schnell das gehen wird, ist ungeklärt. Ebenso steht die Klärung der Frage aus, wann eine Friedensmission der Vereinten Nationen zum Einsatz kommen kann. Kurzfristig sollte es in der Tat nun an erster Stelle um den Schutz der Bevölkerung gehen. Allerdings werden weder die französische humanitäre Intervention, noch die Aufstockung der regionalen Missionen die strukturellen Probleme des gescheiterten Staates lösen. Hierzu bedarf es großer Anstrengungen und eines längerfristigen Engagements aller: der lokalen Akteure, der regionalen Kontingente der AU, aber auch der Vereinten Nationen.

Seit dem Militärputsch der Séléka im März 2013 eskalierte die Gewalt nicht nur in der Hauptstadt Bangui, sondern breitete sich vor allem in die dichter besiedelten Gebiete im Nordwesten aus. Im September distanzierte sich der Anführer der Séléka und selbsternannte Präsident Michel Djotodia von seiner Rebellenorganisation, die sich indessen in mehrere Einzelmilizen gespalten hat. Derzeit gibt es vor Ort keine Gruppierung, die auch nur den Schein einer Regierung aufrecht erhalten könnte.

Den aus der Séléka hervorgegangenen Einzelmilizen stehen die bewaffneten Gruppierungen der Anti-Balaka ("gegen die Macheten") gegenüber, die sich zu Teilen aus Anhängern des 2013 von der Séléka gestürzten Präsidenten Bozizé sowie aus christlichen Milizen zusammensetzen. Die gezielten Angriffe auf Gemeinden, die dem jeweils anderen religiösen Lager zuzurechnen sind, können, bei mangelnden Alternativen und anhaltenden Hass-Parolen, zu noch mehr sektiererischen Gewaltverbrechen führen. Überhaupt ist das Zusammenspiel von schwacher oder nicht vorhandener Staatlichkeit mit regionalen Dynamiken von Rebellenorganisationen, die in den letzten zehn Jahren die Politik von Darfur bis Nordostkongo bestimmten, ein schwieriges Umfeld, um zu Gewaltverzicht und politischer Stabilisierung zu gelangen.

Lokale Kriege und mafiaähnliche Netzwerke

Neben religiösen sind auch ethnische Unterschiede ein Mobilisierungsfaktor in der Zentralafrikanischen Republik. Darüber hinaus befeuern Debatten über die nationale Zugehörigkeit der tschadischen und sudanesischen Bevölkerung im Land die Angriffe auf die jeweils als Feind wahrgenommene Gruppe. Externe bewaffnete Akteure wie die LRA (Lords Resistance Army) führen ihren eigenen lokalen Krieg, und Söldner aus dem Tschad und dem Sudan haben sich verschiedenen bewaffneten Gruppen angeschlossen. Ferner sind mafiaähnliche Netzwerke der Organisierten Kriminalität, Schmuggler, Straßenräuber und Wilderer, die den transkontinentalen Handel mit Elfenbein, Nashörnern, Wildfleisch und Fetischtieren betreiben, ein beständiges Phänomen. Nur mit einer Verbesserung der Sicherheit und der politischen Zuverlässigkeit kann Abhilfe geschaffen werden.

Bislang stand das Interesse der politischen Eliten und ihrer Netzwerke an der eigenen Versorgung einem politischen Plan zum Aufbau eines wirksamen Staates im Weg. Um überhaupt damit beginnen zu können, eine staatliche Struktur aufzubauen, Basisversorgung wie Gesundheit und Bildung bereitzustellen und Vertrauen zwischen den verschiedenen Gruppen des Landes herzustellen, ist nicht nur das Ende der Gewalt, sondern auch der Wille zum Neubeginn nötig. In der Zentralafrikanischen Republik gibt es trotz des Staatszerfalls eine Reihe reformorientierter politischer Akteure, auch unter den Eliten, sowie kirchliche Führer und eine kleine Zivilgesellschaft, bei denen Unterstützung ansetzen sollte.

Warum Frankreich auf lange Sicht der falsche Partner ist

Seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 gab es in der Zentralafrikanischen Republik nur einmal eine demokratische Übergabe der Macht, und zwar bei der Wahl 1993. Sechsmal wurde geputscht. Auch vor dem letzten Putsch im März 2013 reichte das Gewaltmonopol des Staates nur bis zur Außengrenze der Hauptstadt. In vielen Fällen war Frankreich als ehemalige Kolonialmacht direkt in die Auswahl, die Stabilisierung und die Absetzung des Präsidenten involviert.

Eine schnelle Intervention kann deshalb gerade durch französische Truppen am besten gelingen, da sie sich mit dem terrain und der Infrastruktur auskennen. Bei der langfristigen Stabilisierung und Unterstützung politischer Akteure aber sollte Frankreich sich gerade wegen seiner Vergangenheit zurückhalten. Dies entspricht auch dem Willen der französischen Regierungen seit Sarkozy, die sich explizit dazu bekannt haben, sich von ihrer Vergangenheit der französischen Einflussnahme in ihren ehemaligen Kolonien zu verabschieden.

Wenn Frankreich, wie angekündigt, nicht mehr die Rolle des Aufbauhelfers spielt, sind andere gefordert. Hier ist neben dem Engagement Südafrikas ein international gestütztes regionales Zusammenarbeiten notwendig. Die Geberkonferenz, die Ende des Monats in Paris tagen wird, sollte sich nicht nur mit der Finanzierung der Intervention, sondern mit entsprechenden Möglichkeiten einer weitergehenden und längerfristigen Unterstützung beschäftigen. Jegliches internationales Engagement sollte sich dabei nicht nur - wie bisher - auf die Hauptstadt Bangui beschränken, sondern die Peripherie mit einbeziehen.

Der Artikel erschien zuerst auf der Homepage der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in der Rubrik Kurz gesagt. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik.

Annette Weber

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