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Kommentar: Shampoo als Waffe

Über die Blockade des Gaza-Streifens

Das blutige Ende des Hilfskonvois für den Gaza-Streifen hat die Blockade des palästinensischen Landstrichs wieder ins Zentrum der Weltpolitik gerückt. Verhängt haben Israel und Ägypten die Blockade 2007, nachdem die islamistische Hamas-Bewegung – welche die Parlamentswahlen 2006 gewonnen hatte – auch militärisch die Macht in Gaza übernommen hatte. Anschließend erklärte Israel das Palästinensergebiet als „feindliches Gebilde“, womit es sich nicht mehr verpflichtet sah, Benzin, Strom oder Gas durchzulassen, sondern nur noch humanitäre Hilfe. Die wichtigste Begründung der israelischen Regierung war und ist aber, dass es seither immer wieder Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf israelische Städte gegeben hat.

Die Geschichte der Blockade ist jedoch viel länger. Schon nach dem Ausbruch der zweiten Intifada hatte Israel 2001 eine Blockade verhängt, die den Gazastreifen nach Angaben der Vereinten Nationen in eine Phase der wirtschaftlichen „Rückentwicklung“ trieb. Die seit 2007 geltende Blockade ist jedoch ungleich hermetischer.

Nach Angaben der Vereinten Nationen kommt seit der Machtübernahme der Hamas höchstens ein Viertel der Warenmenge von 2005 in den Gazastreifen. Baumaterialien wie Metallstreben, Zement, Holz oder auch Dünger sind verboten, weil sie nach israelischen Angaben zu Waffen weiterverarbeitet werden könnten. Das Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNWRA) musste monatelang verhandeln, um Metallstangen zum Bau von Beinen für Schultische einführen zu können. Jahrelang war die Einfuhr von Haarshampoo ebenso verboten wie die von Glühbirnen, Schokolade, Kümmel, Schreibheften oder Schuhen. Die Regeln ändern sich täglich. Die Einfuhr von Kühlschränken und Computern wird allerdings generell abgelehnt.

Das Ergebnis: Etwa 80 Prozent der 1,5 Millionen Bewohner des Gazastreifens sind mittlerweile von Lebensmittellieferungen der Vereinten Nationen abhängig. Es hungert zwar niemand im Gazastreifen, aber die private Wirtschaft ist faktisch zerstört, die Landwirtschaft und die Blumenindustrie ist wegen mangelnder Exportmöglichkeiten am Ende. Dafür hat sich die von der Hamas kontrollierte Tunnel-Ökonomie mit Ägypten entwickelt – hier werden selbst Autos in Einzelteilen hineingeschmuggelt. Finanziell wird damit die islamistische Bewegung sogar noch gestärkt.

Israel rechtfertigt die Blockade damit, dass es sich im Kriegszustand mit der Hamas befinde und jede Waffeneinfuhr verhindern müsse. Außerdem will es Druck ausüben, damit die Hamas den israelischen Soldaten Gilad Schalit freilässt und die Bevölkerung sich von der Hamas abwendet. Beide Ziele wurden nicht erreicht. Allerdings koordinieren trotz Hamas-Herrschaft schon jetzt Israel und die Autonomiebehörde die punktuelle Öffnung der Übergänge. Nach Ansicht des Leiters der UNWRA, des Iren John Ging, ist es nur eine technische Frage, die Grenzübergänge so zu organisieren, dass sichergestellt ist, dass keine Waffen nach Gaza gelangen. Die Blockade verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht, das Kollektivstrafen für Zivilisten verbietet. Die UN, die EU und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International fordern aus diesem Grund seit langem die Aufhebung der Blockade.

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