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Mühsame Sitzungen.

© dpa

Kommunale Parlamente: Kleine Gruppen, großer Ärger

In den Kommunalparlamenten in Nordrhein-Westfalen sitzen viele Parteien – zu viele, meinen manche. Also soll eine Sperrklausel in die Landesverfassung.

Schon die erste Sitzung bestätigte alle Befürchtungen. Vor Beginn gab es Demonstrationen auf dem Rathausvorplatz, dann dauerte die Sitzung bis um fünf Uhr in der Frühe, weil die vielen Splitterparteien immer neue Anträge stellten. „Man kann so kaum arbeiten“, stellte der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link ernüchtert fest. Die Bürger der Ruhrstadt haben bei der Kommunalwahl im Mai allerdings so entschieden, dass sie die Vertreter von insgesamt 13 Parteien in den Rat geschickt haben, was die Mehrheitsfindung und die geordnete Arbeit kaum mehr möglich macht. Dieses kuriose Ergebnis ist in Nordrhein-Westfalen kein Einzelfall, denn in zahlreichen Stadtparlamenten sitzen mindestens zehn Parteien, häufig allerdings nur durch einen Abgeordneten vertreten; oft aus dem rechten Spektrum wie in Duisburg, wo sowohl die NPD wie auch Pro NRW Mandate ergattern konnten.

Neue Grenzen

Seit die Fünf-Prozent-Sperrklausel 1999 weggefallen ist, hat sich die Zahl der in den Rat gewählten Parteien erheblich erhöht. Jetzt hat eine Debatte darüber begonnen, ob man nicht zu einer neuen Grenze zurückkehren sollte. „Wir lassen uns die Demokratie vor Ort nicht von Splitterparteien kaputtmachen“, polterte etwa Norbert Römer, der Fraktionschef der SPD im Düsseldorfer Landtag. „Ich höre überall Klagen, dass sich Debatten endlos verlängern, dass es inzwischen normal ist, bis weit nach Mitternacht zu tagen, das ist nicht zumutbar, wenn man am nächsten Tag wieder arbeiten muss“, stellt Römer fest, der darauf hinweist, dass die kommunale Arbeit nur ehrenamtlich mit einer kleinen Aufwandsentschädigung gemacht wird. „Mir sagen erste Kollegen, dass sie sich nicht mehr aufstellen lassen, weil sie das nicht mehr tragen können“, fügte er hinzu.

Kleine werden begünstigt

Wenn Römer nun eine neue Sperrklausel vorschlägt, dann stehen dahinter nicht nur praktische Fragen, sondern auch politische Überlegungen. Durch das Wahlsystem werden die kleinen Gruppen und Parteien erheblich begünstigt. In Duisburg brauchte ein Sozialdemokrat etwa 1700 Stimmen pro Mandat, der kleinsten Gruppe reichten 1300 Wähler. In Essen – wo elf Gruppen im Rat sitzen – ist das Verhältnis noch krasser: ein CDU-Abgeordneter brauchte 2300 Stimmen, dem NPD-Vertreter reichten schon 1200. „Das widerspricht demokratischen Grundsätzen“, urteilt Römer und versucht die CDU im Lande zu einer Verfassungsänderung zu bewegen, um dort eine Sperrklausel zu verankern.

Gekippt vom Gericht

Bis zum Jahre 1999 hatte das Land eine Fünf-Prozent-Hürde, das Verfassungsgericht hat sie gekippt, weil sie nur über ein einfaches Gesetz abgesichert war. Ein neuer Anlauf der schwarz-gelben Koalition nach 2005 wurde ebenfalls vom Verfassungsgericht kassiert – auch dieses Mal hatte man es über eine einfache Parlamentsmehrheit versucht. „Deshalb wollen wir jetzt die Verfassung ändern, das ist dann wasserdicht“, glaubt Römer. Immerhin will die CDU auch eine entsprechende Regel festschreiben. Sie laviert allerdings noch, weil sie die FDP im Lande nicht verprellen will, die angesichts der schwachen Ergebnisse fürchten muss, dass sie noch unter drei Prozent fällt. In der ohnehin tagenden Verfassungskommission wurde die Frage allerdings schon debattiert. Offen blieb allenfalls, ob man diesen Punkt vorzieht oder erst entscheidet, wenn man alle anderen Vorschläge in den kommenden Jahren abgearbeitet hat. Auf jeden Fall will man das rechtzeitig vor der Kommunalwahl 2020 abschließen, bis dahin müssen sich Sören Link und Kollegen noch auf lange Sitzungen einstellen.

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