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Kommunalwahlen: Grüne stärkste Kraft in Stuttgart

Der Protest gegen das Bahnhofs-Großprojekt führt zu Höhenflug der Grünen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt.

Von Matthias Schlegel

Berlin - Bei den gestrigen Kommunalwahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben die Grünen in den großen Städten enorme Zuwächse verzeichnet. Damit profitierten sie offenbar von der Debatte über infrastrukturelle Großprojekte, die in der Bevölkerung heftig umstritten sind.

In der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart könnte die Partei nach Prognosen des SWR mit 27 Prozent der Stimmen sogar stärkste Kraft geworden sein. CDU und SPD büßten demnach jeweils rund 7 Prozentpunkte ein und kamen auf 26,5 beziehungsweise 15,5 Prozent. In Mannheim gewannen die Grünen laut Infratest ebenfalls stattliche 4,4 Prozentpunkte hinzu und erreichten 16 Prozent. Dort wurde die SPD mit 32,5 Prozent, einem halben Prozentpunkt mehr als vor fünf Jahren, erstmals seit zehn Jahren wieder stärkste Kraft. Großer Verlierer war die CDU, die 8,4 Punkte abrutschte und auf 31,7 Prozent kam.

In der rheinland-pfälzischen Metropole Mainz legten die Grünen nach einem vom SWR veröffentlichten Trend um nahezu 8 Prozentpunkte auf 22 Prozent zu. Dort blieben sie demnach zwar hinter CDU (32,5 Prozent) und SPD (23,5 Prozent) zurück. Doch die beiden großen Volksparteien büßten jeweils mehr als fünf Prozentpunkte ein.

In Stuttgart erteilten die Bürger mit der Wahl dem von CDU und SPD befürworteten Projekt „Stuttgart 21“ eine Abfuhr. Die bereits Ende der 80er Jahre entstandene Idee sieht eine komplette Neuordnung und Modernisierung des Bahnknotens Stuttgart vor. So soll der Hauptbahnhof der Stadt von einem Kopfbahnhof in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgewandelt werden. Die bislang von der Bahn beanspruchten oberirdischen Gleisflächen von rund 100 Hektar werden zur Entwicklung der städtischen Infrastruktur genutzt. Völlig neu konzipiert wird auch die Anbindung an den Flughafen. In Mannheim hatten die Grünen im Kommunalwahlkampf beklagt, dass ihre Stadt so dicht bebaut sei wie nur wenige andere in Deutschland, und hatten gegen weiteren Flächenverbrauch protestiert.

Auch in Mainz gab es im Vorfeld der Wahl viel Streit um ein einschneidendes Großprojekt: den Bau eines 823-Megawatt-Kohlekraftwerks auf der Ingelheimer Aue. Ein breites lokales Bündnis hatte vor dem Bau unter anderem mit dem Argument gewarnt, dass das 1,2 Milliarden Euro teure Kohlekraftwerk die CO2-Emissionen des derzeitigen Gaskraftwerkes um ein Vielfaches übertreffe und in Mainz den Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 auf das Niveau der USA ansteigen lasse. Tausende Mainzer hatten in den vergangenen Wochen gegen das Projekt demonstriert, dessen Bau inzwischen begann. Seit März gibt es überdies Streit um die Mainzer Wohnungsbaugesellschaft, die sich mit städtebaulichen Prestigeobjekten und riskanten Kredit- und Derivatgeschäften an den Rand des Ruins gewirtschaftet hatte.Matthias Schlegel

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