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Kommunalwahlen in NRW: Revierkämpfe

Im Ruhrgebiet versuchen SPD wie CDU gegen prognostizierte Verluste bei den Kommunalwahlen am Sonntag zu mobilisieren.

Jürgen Rüttgers war wie immer gut vorbereitet. Seine Mitarbeiter hatten ihm die unterschiedlichen Probleme der Ruhrgebietsmetropole Essen aufgeschrieben und dabei natürlich besonderen Wert auf das bevorstehende Jahr der Kulturhauptstadt gelegt. Ein Wahlkampfauftritt an der Seite des CDU-Kandidaten Franz Josef Britz sollte den Umschwung zugunsten des Parteifreundes von Rüttgers einleiten, der in Umfragen hinter dem sozialdemokratischen Herausforderer Reinhard Pass liegt.

Der gesamte Besuch verlief zunächst wie geplant. Bis zu diesem Interview mit dem Lokalsender Radio Essen. Unvermittelt wollte der Moderator vom Landesvater wissen, in welcher Fußballliga der örtliche Spitzenverein mit den rot-weißen Farben denn spiele. „In der zweiten Liga“, antwortet Rüttgers spontan, was erstens falsch und zweitens für viele Essener Fußballseelen fast verletzend klingt; denn gefühlt gehört der Traditionsverein mindestens in die Bundesliga, in der Realität kämpft man allerdings in der vierten Liga und läuft auch in der neuen Saison den hohen Ansprüchen hinterher.

Franz Josef Britz lächelte gequält ob dieses Missgeschicks seines Parteifreundes, es wird am Ende nicht wahlentscheidend sein. Er selbst ist in der unkomfortablen Position, als bisheriger CDU-Fraktionschef den Posten des Oberbürgermeisters für die Christdemokraten zu verteidigen, den Wolfgang Reiniger 1999 überraschend erobert und 2004 verteidigt hatte. Seit die SPD ihre Klientel nicht mehr an die Wahlurne bringt und die Beteiligung auf immer neue Tiefststände sinkt, hat die CDU selbst im Ruhrgebiet eine reale Chance auf Mehrheiten.

Das neue Wahlrecht aber könnte den Genossen beim bevorstehenden Urnengang allerdings den einen oder anderen Erfolg bescheren, der sie über insgesamt schlechte Werte hinwegtrösten wird. So haben sie offenbar wenig Chancen, den Oberbürgermeisterposten in Duisburg zurückzuholen, aber in Essen misst eine Prognose dem SPD-Kandidaten Pass gute Chancen auf den Chefsessel im Rathaus zu. Ähnlich dürfte es in Dortmund verlaufen, wo die örtlichen Genossen dem Ruf als heimliche Hauptstadt der Sozialdemokratie auch in diesem Jahr Ehre machen werden; im östliche Revier liegt der SPD-Kandidat Ulrich Sierau weit vorne und selbst im Rat dürfte die SPD ihre Mehrheit verteidigen.

Ansonsten müssen sich die Sozialdemokraten auf weitere Verluste der ohnehin geschrumpften Wählerbasis einstellen. Früher legte die Traditionspartei in den Großstädten den Grundstein für Erfolge auch bei Landtags- und Bundestagswahlen, seit 1999 ist das allerdings vorbei. Inzwischen kann die CDU in Räten fast überall mit einem höheren Ergebnis als die Genossen rechnen.

Doch auch die Rüttgers-Partei muss sich überall auf herbe Verluste einstellen. Davon profitieren werden, so sagen es aussagekräftige Umfragen etwa des WDR voraus, die kleinen Parteien. Die Liberalen dürften zum Beispiel in der Landeshauptstadt Düsseldorf besonders gut abschneiden, sie werden aktuell mit 13 Prozent gut zweistellig bewertet. Die Grünen belächeln solche Zahlen, sie sind auf kommunaler Ebene klar die Nummer drei und schließen in einzelnen Großstädten sogar zu den beiden großen Parteien auf. Während sich CDU und SPD im Kölner Rat mit jeweils rund 30 Prozent ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, hoffen die Grünen in der Domstadt auf mehr als 21 Prozent. Ähnlich gut dürften sie in der Kaiserstadt Aachen abschneiden und selbst im einstmals hoffnungslos konservativen Münster liegen sie gegenwärtig nur knapp unter dieser Marke.

In den Räten wird es nach dem Muster am Ende jede Menge Koalitionsmöglichkeiten geben. Da auch die Linke zumindest im Ruhrgebiet mit einem Einzug in die Räte rechnen kann, will die CDU im Endspurt mit der Angst vor Rot-Rot punkten. „Wir werden im ganzen Land davor warnen“, hat CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst als Parole ausgegeben und versucht damit die allzu siegesgewisse Klientel zu mobilisieren. Die SPD kommt inzwischen aus der anderen Perspektive und muss die eigene Wählerschaft überhaupt zur Urne bewegen. Die relativ guten Umfragewerte in den Großstädten sollen die Genossen deshalb aufrütteln. „Wir suchen den direkten Kontakt zu den Wählern“, heißt das in den Worten von SPD-Generalsekretär Mike Groschek, der parteiintern überall das Beispiel des Esseners Reinhard Pass anpreist. Der hatte sich zum Ziel gesetzt, bis zum Wahltag mit den eigenen Parteifreunden mindestens 50 000 Hausbesuche zu absolvieren. Kurz vor dem Ziel ist er dieser Zahl sehr nahe gekommen und zumindest in den Umfragen scheint sich zu bestätigen, dass diese Strategie so ganz falsch nicht war.

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