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Politik: „Kompliziert und sehr besorgniserregend“

Das Auswärtige Amt glaubt nicht an eine schnelle Lösung im Fall Timoschenko. Erneut sind Ärzte bei ihr.

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Berlin - „Frau Timoschenko hat vorläufig zugestimmt, am Dienstag, dem 8. Mai, in die Zentrale Eisenbahnerklinik von Charkiw verbracht zu werden.“ Mit diesem Satz machte der Berliner Mediziner und Vorstandschef der Charité, Karl Max Einhäupl, am Freitag im ukrainischen Charkiw klar, dass in den Fall der ehemaligen Kiewer Regierungschefin Julia Timoschenko nun doch Bewegung kommt. Bislang hatte die Oppositionsführerin, die an einem schweren Bandscheibenvorfall leidet, es abgelehnt, sich in ihrer Heimat behandeln zu lassen.

Einhäupl war mit weiteren Ärzten erneut in die Ukraine gereist, um die dort inhaftierte Julia Timoschenko zu untersuchen. Begleitet würden die Ärzte durch Mitarbeiter des deutschen Außenamtes, bestätigte Außenminister Guido Westerwelle in New York. Die Diplomaten seien dort, um mit der Politikerin über Lösungsmöglichkeiten zu beraten.

Timoschenko verbüßt eine siebenjährige Haftstrafe wegen angeblichen Amtsmissbrauchs und befindet sich im Hungerstreik. Außenamtssprecher Andreas Peschke sagte, eine Lösung des Falles werde wohl „noch einige Zeit“ dauern. Er nannte die Situation „kompliziert und sehr besorgniserregend“.

Drohungen der ukrainischen Regierung mit wirtschaftlichen Nachteilen auch für Deutschland für den Fall, dass das bereits unterzeichnete Assoziierungsabkommen mit der EU nicht ratifiziert wird, begegnete die Bundesregierung gelassen. Peschke wies darauf hin, dass die Rechtsstaatlichkeit „eine unabdingbare Voraussetzung für die Annäherung an die EU“ sei, die Entwicklung in der Ukraine jedoch „in die falsche Richtung“ laufe.

In der Debatte um den politischen Boykott der Fußball-EM in der Ukraine warnte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit vor überzogenen Reaktionen. Einige deutsche Politiker diskutierten den Fall Timoschenko vor den anstehenden Landtagswahlen „ziemlich populistisch“, sagte der SPD- Politiker der Nachrichtenagentur dapd. Gleichzeitig warnte er vor „einseitiger Fixierung“ auf den einen Fall und erinnerte daran, dass die 51-Jährige „nicht gerade als Vorkämpferin für Menschenrechte bekannt geworden“ sei.

Nach einem Bericht der ukrainischen Zeitung „Segodna“ bereitet die Gefängnisleitung die Zwangsernährung Timoschenkos vor. „Sobald wir die Anweisung dazu bekommen, werden wir damit beginnen“, wurde ein Gefängnismitarbeiter zitiert. Familie und Anwälte zeigten sich besorgt. Sie befürchte, dass es dabei zu Zwischenfällen komme, sagte Timoschenkos Tochter Jewgenija. „Die letzten Monate haben gezeigt, es gibt keine Tabus.“

Amnesty International wertet Zwangsernährung nicht unter allen Umständen als Menschenrechtsverletzung. Jedoch dürfe sie nur aus medizinischen Gründen, unter ärztlicher Überwachung und mit ausgebildetem Personal erfolgen, sagte Sprecher Ferdinand Muggenthaler dem Tagesspiegel. Erfahrungsgemäß werde Zwangsernährung oft dazu benutzt, Gefangenen zusätzliche Qualen zu bereiten.

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