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8,50 Euro Stundenlohn sollen mindestens gezahlt werden, doch beim Entwurf der Bundesregierung gibt es Ausnahmen.

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Update

Kompromiss beim Mindestlohn: Nahles: vier Millionen werden profitieren

Mindestens 8,50 Euro Stundenlohn sollen ab 2015 gezahlt werden. Rund vier Millionen Arbeitnehmer werden davon profitieren, sagt Arbeitsministerin Nahles. Doch der Mindestlohn gilt nicht ganz ohne Ausnahmen. Die Linkspartei sieht eine Verletzung des Grundgesetzes.

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat den geplanten flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro gegen Kritik verteidigt. "Arbeit wird wieder gerecht entlohnt", sagte die Ministerin am Mittwoch, nachdem das Kabinett den Gesetzentwurf verschiedet hat. Rund vier Millionen Arbeitnehmer in Deutschland würden von dem Mindestlohn profitieren, sagte die SPD-Politikerin. Wenn das Gesetz voraussichtlich am 4. Juli vom Bundestag verabschiedet werde, könne man von einem "historischen Tag" sprechen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, die Lohnuntergrenzen zum Jahresbeginn 2015 in Kraft zu setzen. Für Branchen mit darunter liegenden Tariflöhnen gilt allerdings eine zweijährige Übergangsfrist. Ausgenommen werden sollen Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach einer Neueinstellung. Zudem gilt der Mindestlohn erst ab dem Alter von 18 Jahren. Künftig soll eine unabhängige Kommission über die Höhe des Mindestlohns entscheiden. Eine Erhöhung soll es demnach erstmals ab dem Jahr 2018 geben können.

Nahles: Gesetz für Mindestlohn ist ausgewogen

Nahles verteidigte die geplanten Ausnahmen. Es sei eine "ausgewogene Lösung" gefunden worden, sagte die Arbeitsministerin. Sie gehe davon aus, dass Langzeitarbeitslosen durch die Regelung eine "Brücke in den ersten Arbeitsmarkt" gebaut werde. Nach einem halben Jahr gelte auch für sie der Mindestlohn uneingeschränkt. Nahles kündigte an, dass sie die Bemühungen verstärken will, Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen. Von den eine Million Langzeitarbeitslosen im vergangenen Jahr seien 180 000 in Vermittlung gewesen. Nahles sagte, die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen müssten für diese Personengruppe ausgeweitet werden, damit auch sie stärker von der guten Arbeitsmarktlage profitierten. Im übrigen werde 2016 überprüft, ob die Ausnahme im ersten halben Jahr sich positiv für die Langzeitarbeitslosen ausgewirkt habe.

Bsirske: Gesetz muss auch für Langzeitarbeitslose gelten

Verdi-Chef Frank Bsirske kritisierte die geplanten Ausnahmen für Langzeitarbeitslose. „Das ist nicht sinnvoll“, sagte Bsirske am Mittwochmorgen im RBB Inforadio. Der Mindestlohn solle vor Lohndumping schützen. „Das muss für Langzeitarbeitslose genauso gelten wie für jedermann und jede Frau“.

Union und SPD hatten sich am Dienstag darauf geeinigt, dass Langzeitarbeitslose im ersten halben Jahr einer Beschäftigung keinen Anspruch auf einen Mindestlohn von 8,50 Euro haben sollen. Die Ausnahme sei eine Diskriminierung, die nicht nachvollziehbar sei, sagte Bsirske. „Es ist eine Schwachstelle in einer an sich sehr vernünftigen Entscheidung.“ In dem Entwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sind auch Ausnahmen für junge Leute bis 18 Jahre ohne Ausbildung vorgesehen.

Kipping: Ausnahmen sind nicht grundgesetzfest

Auch die Linkspartei kritisiert Schwachstellen des geplanten Gesetztes. „Das degradiert Langzeiterwerbslose zur Niedriglohnreserve“, sagte die Vorsitzende Katja Kipping der „Mitteldeutschen Zeitung“. „Beim Nahles-Mindestlohn wird die Ausnahme die Regel. Diese Ausnahme verstößt gegen das Diskriminierungsverbot. Das ist nicht grundgesetzfest.“ Kipping fügte hinzu: „Spätestens wenn Betroffene klagen, wackelt die Erwerbslosendiskriminierung genauso wie die Jugenddiskriminierung. Die Bundesregierung wäre gut beraten, nicht auf den Ordnungsgong aus Karlsruhe zu warten.“ In Karlsruhe sitzt das Bundesverfassungsgericht. Nahles widersprach dem allerdings. Sie sei "sehr sicher", dass die Regelung "verfassungsfest" sei.

180.000 Langzeitarbeitslose fanden 2013 einen Job

In den vergangenen Wochen war aus den Reihen von Union und Wirtschaft die Forderung laut geworden, Langzeitarbeitslose bei Annahme einer Arbeit ein Jahr vom Mindestlohn freizustellen. Andernfalls sei die Job-Hürde für diese Personengruppe zu hoch. Bislang war in dem Entwurf vorgesehen, dass Langzeitarbeitslose nur dann ein halbes Jahr nicht nach Mindestlohn bezahlt werden müssen, wenn ihr Arbeitgeber Lohnkostenzuschüsse der Bundesagentur für Arbeit bekommt. Diese Einschränkung ist jetzt weggefallen. Insgesamt fanden im vergangenen Jahr etwa 180.000 Langzeitarbeitslose einen Job, hieß es aus Regierungskreisen. Nur für einen Bruchteil von ihnen flossen jedoch Lohnkostenzuschüsse.

Lohnuntergrenze kann noch bis Ende 2016 unterschritten werden

Mit dem Vorhaben soll nun - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - vom 1. Januar 2015 an der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro umgesetzt werden. Allerdings kann diese Lohnuntergrenze noch bis Ende 2016 unterschritten werden, wenn dies tarifvertraglich von Arbeitgebern und Gewerkschaften so vereinbart ist. Arbeitsministerin Nahles sagte, ihr Ministerium biete den Branchen praktische Hilfestellungen an, die diese Übergangsfrist in Anspruch nehmen wollen. Entsprechende Vereinbarungen gibt es bereits im Friseurhandwerk, in der Zeitarbeit und der fleischverarbeitenden Industrie. Die Taxifahrer führen derzeit Gespräche mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, auch bei den Ernthelfer soll es möglicherweise eine solche Vereinbarung geben.

Die geplanten Ausnahmen für junge Leute bis 18 Jahre ohne Ausbildung werden anders begründet: Es soll verhindert werden, dass sich Betroffene für Arbeit statt Ausbildung entscheiden. Union und Wirtschaft forderten, diese Altersgrenze deutlich anzuheben. Grund: Die Mehrzahl der jungen Leute beginne die Ausbildung erst mit 19 oder später. Bei berufsvorbereitenden Praktika von bis zu sechs Wochen Dauer und Pflichtpraktika während der Ausbildung soll der Mindestlohn genau so wenig gelten wie für ehrenamtliche Tätigkeiten (dpa)

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