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In kleinen Schritten. Zunächst wird der Hartz-IV-Satz nur um fünf Euro angehoben. 2012 soll es dann weitere drei Euro als Inflationsausgleich geben.

© Franz-Peter Tschauner/dpa

Kompromiss: Hartz-IV-Streit beigelegt - Zweifel bleiben

Der Hartz-Kompromiss steht endlich. Ob er auch vor dem Verfassungsgericht besteht, ist fraglich. Union und FDP sehen sich bestätigt, die SPD hat weiter Bedenken.

Berlin - „Es gibt schönere Nächte“, sagt Wolfgang Böhmer lakonisch, bevor er nachts gegen drei Uhr die Landesvertretung Sachsen-Anhalts verlässt. Der 75-jährige CDU-Ministerpräsident hat gerade den Hartz-IV-Kompromiss vorstellen dürfen, den Union, FDP und SPD in den Stunden zuvor mühsam ausgehandelt haben. „Es hat sich gelohnt“, sagt der Magdeburger Regierungschef, der nach dem Scheitern der ersten Vermittlungsrunde vor knapp zwei Wochen gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Mainz, Kurt Beck (SPD) und Bayern, Horst Seehofer (CSU), dafür gesorgt hatte, dass es einen zweiten Anlauf für die Kompromiss-Suche gibt.

Neben ihm steht Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Die CDU-Frau kann sich eine kleine Spitze in Richtung der Ministerpräsidenten nicht verkneifen, die ihr und der Schweriner Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) in den vergangenen Tagen faktisch die Verhandlungsführung aus der Hand genommen haben. Es komme „auf die Mischung“ an, sagt Leyen mit Verweis auf die fünf Personen, die sich vor den Mikrofonen aufgebaut haben. Neben Böhmer und Beck sind das Leyen, ihre SPD-Kollegin Schwesig und FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger, die sich allerdings erst ein bisschen verspätet in die Riege drängt.

In der offiziellen Bewertung des Hartz-IV-Kompromisses sind sich die Verhandlungspartner am Morgen danach einig: „Wenn hinterher alle sagen, es ist ein gutes Ergebnis – dann wird es wohl eins sein“, fasst SPD-Chef Sigmar Gabriel die Stimmungslage zusammen. Wobei er auch vorsorglich darauf hinweist, dass für die SPD die Zweifel an der Neuberechnung der Regelsätze nicht ausgeräumt seien. SPD-Vize Schwesig legt ebenfalls Wert darauf, dass für sie im Falle einer erneuten Beanstandung durch das Bundesverfassungsgericht die Schuldigen ganz klar in den Reihen von Union und FDP sieht. „Die Bundesregierung muss sehen, welches Risiko sie trägt“, sagt sie.

Doch anders als die Grünen, die in der Nacht wegen ihrer Verfassungsbedenken aus den Verhandlungen ausstiegen, haben die Sozialdemokraten sich entschieden, den Kompromiss am Ende mitzutragen. Als Erfolg verbucht die SPD für sich, dass es für 1,2 Millionen Beschäftigte neue Mindestlöhne geben soll. Ein Thema, das in der Runde vor allem für die Liberalen schwierig war. Schwesig verweist außerdem darauf, dass Geld für die Einstellung von 3000 Schul-Sozialarbeitern in sozialen Brennpunkten vorhanden sei. Und nicht zuletzt war die Koalition in der Schlussrunde bereit, ein kleines bisschen beim Regelsatz nachzugeben, auch wenn die Betroffenen erst im nächsten Jahr davon profitieren werden. Im Januar 2012 soll es einen zusätzlichen Inflationsausgleich von drei Euro geben.

Union und FDP wiederum betonen am Montag, dass sich an der grundsätzlichen Berechnung der von ihnen vorgelegten Regelsätze nichts geändert habe. Die Gefahr, dass Karlsruhe die vereinbarten Regelsätze erneut kippen könnte, sieht Leyen nicht. Sie sei heute „überzeugter denn je, dass es verfassungskonform ist“, sagt die Ministerin. Grüne und SPD hatten in den Verhandlungen immer wieder beanstandet, dass bei der Berechnung der Bezüge an zu vielen Stellschrauben gedreht worden sei.

Mit der nächtlichen Einigung gibt es nun auch im Bundesrat eine Mehrheit für die Umsetzung der neuen Hartz-IV-Gesetze. Zunächst soll der Vermittlungsausschuss am Dienstagabend den Kompromiss beschließen, danach soll das Gesetz am Freitag in einer Sondersitzung des Bundesrats endgültig verabschiedet werden. Auch wenn es für den Verhandlungsmarathon sicher keinen Schönheitspreis geben werde, so werde doch schlussendlich „sozialpolitische Geschichte“ geschrieben, lobt Leyen.

Bei aller Zufriedenheit mit dem Ergebnis kann CSU-Chef Seehofer sich den Hinweis nicht verkneifen, dass ein solches Ergebnis auch früher möglich gewesen wäre. „Da waren viele Eitelkeiten unterwegs. Ich möchte das jedenfalls so nicht mehr wieder erleben“, lästert der bayerische Ministerpräsident, der seit Beginn an den Verhandlungen beteiligt war.

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