zum Hauptinhalt
Zusammenstoß. Im Norden des Kosovo eskalieren Auseinandersetzungen zwischen Serben und Soldaten der Friedenstruppe Kfor. In der Nähe des Dorfes Zupce errichteten Serben Straßensperren.

© Valdrin Xhemaj / dpa

Konflikt im Kosovo: Auf den Barrikaden

An der Grenze zwischen Kosovo und Serbien sind erstmals Kfor-Soldaten beschossen worden, und Belgrad fürchtet die EU.

Der Kampf um die Zukunft des Kosovo und die weitere Annäherung Serbiens an die Europäische Union wird derzeit an drei Orten geführt: im serbisch besiedelten Norden des Kosovo, in Belgrad und in Brüssel. Im Norden haben die Zusammenstöße zwischen Serben und der Friedenstruppe Kfor an den Barrikaden eine neue Eskalationsstufe erreicht. Zum ersten Mal wurden Kfor-Soldaten gezielt beschossen und mit Sprengfallen angegriffen. Dabei wurden zwei deutsche Soldaten durch Schüsse und ein österreichischer Kfor-Soldat durch Splitter verletzt.

Das Katz-und-Maus-Spiel um die Zugangswege zu den beiden Grenzübergängen zu Serbien durch das Errichten, Räumen und Wiedererrichten von Barrikaden droht völlig außer Kontrolle zu geraten. Auf serbischer Seite sind dabei keineswegs nur Hooligans oder Söldner aktiv, die von der lokalen organisierten Kriminalität finanziert werden. Vielmehr ist es für die Kosovo-Serben im Norden unvorstellbar, unter albanischer Hoheit von Pristina aus regiert zu leben. Symbol für diesen Herrschaftsanspruch sind albanische Zöllner und Grenzpolizisten, die an den beiden Übergängen zu Serbien Wache halten, und deren Stationierung vor einem halben Jahr die Spannungen auslöste.

Den Kosovo-Serben im Norden bedeutet eine weit entfernte EU-Perspektive nichts. Drei der vier Gemeinden im Norden sind politisch in der Hand der nationalistischen Parteien, die in Belgrad in der Opposition sind, und der Regierung unter Präsident Boris Tadic keinen Erfolg gönnen. Doch Tadic und sein Kabinett spielten bis vor kurzem ebenfalls die nationalistische Karte und verschärften den Konflikt ebenfalls. Der ehemalige Milosevic-Gefolgsmann und derzeitige Innenminister Ivica Dacic sagte, „niemand dürfe in Serbien erklären, dass das Kosovo verloren sei, und dass man nicht um Kosovo Krieg führen werde, weil ein Gleichgewicht des Schreckens in der Region aus Sicherheitsgründen nötig“ sei. Nach einem Sturm der Entrüstung bei gemäßigten Politikern in Belgrad betonte Dacic, er habe nicht zum Krieg aufgerufen.

Aber in Serbien hat der Wahlkampf begonnen. Spätestens Anfang Mai 2012 wird das Parlament neu gewählt. Wirtschaftlich hat die Regierung nichts vorzuweisen. Armut und Arbeitslosigkeit sind groß, und trotz der Auslieferung aller mutmaßlichen Kriegsverbrecher droht die EU Serbien auch den erhofften Status eines Beitrittskandidaten zu verweigern. Tadic und Co. könnten so die Rechnung für eine Politik bezahlen, die den Kampf um das Kosovo und die EU-Ambitionen für vereinbar erklärte. Vor wenigen Tagen bemühte sich Tadic jedenfalls um Vermittlung. Er rief die Kfor zu äußerster Zurückhaltung und die Kosovo-Serben zum Abbau der Barrikaden auf. Serbien sei von der EU nun weiter entfernt als vor einem Jahr, meinte Tadic. Zwar kann Tadic mit einem Kandidatenstatus im Rücken noch keine Wahlen gewinnen, doch ohne weitere EU-Annäherung hat er wohl nur geringe Chancen, mit seiner Partei an der Regierung zu bleiben.

Um einen möglichen Kandidatenstatus doch noch zu retten, haben führende serbische Politiker wie Vize-Regierungschef Bozidar Djelic und Außenminister Vuk Jeremic eine Rundreise durch die EU unternommen. Gleichzeitig verhandeln in Brüssel die Vertreter Serbiens und des Kosovo, Borislav Stefanovic und Edita Tahiri, über „technische Probleme“. Dieses Mal ging es um die Präsenz des Kosovo bei regionalen Konferenzen und um ein Regime für die Grenzkontrollen an den beiden Übergängen im Norden. Dass in einem derartigen Klima am Balkan in Brüssel Durchbrüche zu erwarten sind, halten beide Unterhändler für unwahrscheinlich. Bis zum EU-Gipfel am 9. Dezember bleibt jedenfalls nicht mehr viel Zeit. Nach Einschätzung des deutschen Verteidigungsministers Thomas de Maizière und von Außenminister Guido Westerwelle sinken Serbiens Chancen auf den Kandidatenstatus von Tag zu Tag. Der Minister warf Serbien vor, nicht genug zu tun, um Zusammenstöße zwischen serbischen Demonstranten und der Kfor-Truppe zu verhindern. mit dpa

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false